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Kultur: Wir wollen doch nur Spaß! Piccolo Theater Cottbus mit „Koma“ im T-Werk

Intensivstation: Vollgekackte Windeln, Untersuchungen auf mögliche HIV- und Hepatitisinfektionen sowie Ausschluss einer Schwangerschaft oder von neurologischen Folgeerscheinungen. Den Tag nach ihrem 16.

Intensivstation: Vollgekackte Windeln, Untersuchungen auf mögliche HIV- und Hepatitisinfektionen sowie Ausschluss einer Schwangerschaft oder von neurologischen Folgeerscheinungen. Den Tag nach ihrem 16. Geburtstag hat sich Steffi sicher ganz anders vorgestellt. Und nicht mal im Traum dran gedacht, dass nach heimischem Vorglühen und anschließenden Flatrate-Saufen das ganze junge Leben im Eimer sein könnte. Doch wie Steffi geht es viel zu vielen Jugendlichen in unserem Land. Die Medien sind fast jeden Tag voll davon, dass immer mehr und vor allem immer jüngere Menschen exzessiv Alkohol trinken.

Wahrscheinlich richtet sich deswegen, die solche Folgen nicht aussparende Inszenierung „Koma“ des Piccolo Theaters Cottbus unter der Regie von Reinhard Drogla, die im T-Werk gezeigt wird, ganz bewusst an Zuschauer ab zwölf Jahren.

Und bei gar nicht so Wenigen ist es in diesem Alter schon „normal“, zumindest bei „besonderen“ Anlässen wie Geburtstag oder Silvester Alkohol zu trinken. Im Stück wird auch gleich zu Beginn gezeigt, dass Erwachsene wesentlich dazu beitragen, Trinkgewohnheiten herauszubilden. Allerdings ist es bei Steffi (Marianne Jordan) schon längst zu spät, dass ihr Vater (Werner Bauer) darauf dringt, den Alkoholkonsum auf wenige Gelegenheiten zu beschränken.

Verbote nützen nicht wirklich was. Denn wenn die Kommunikation zwischen Eltern und Heranwachsenden schon so schwierig ist, wie im Stück pointiert gezeigt, dann finden die Jugendlichen immer Wege, diese zu umgehen. Sei es, weil ihnen Ältere die „Spaßmacher“ beschaffen oder Wirte und Verkäufer nicht zuerst an den Jugendschutz, sondern an den Profit denken. Aber das ist nicht erst seit Kurzem so.

Und dieses „Trinken bis der Arzt kommt“, ist vor allem eine Erscheinung der Gegenwart. Denn das Motto „wir wollen doch nur Spaß!“ reicht bei Weitem nicht, dass sich junge Leute besinnungslos ins Koma saufen. Mit den unappetitlichen und gesundheitsschädigenden Folgen wird kein noch so großer Spaß aufgewogen. Also was ist es dann, was sie zur Flasche greifen lässt? Einigen Ursachen auf den Grund kommt, wer genauer zuhört, was Nadja (Maria Schneider), Schumi (Matthias Heine) und Malte (Hauke Grewe) über ihre Lebens-träume und bisher gemachte Erfahrungen so nach und nach preisgeben.

Da wird deutlich, dass sich fast alle fremdbestimmt – von den Wünschen, Frustrationen und Erwartungen ihrer Eltern – fühlen und für sich selbst kaum Freiräume finden oder in einen wirklichen Dialog mit den Erwachsenen über Lebenssinn und -ziele eintreten können. Was bleibt, ist das gemeinsame sinnlose „Abhängen“ und das Kopieren scheinbar „erwachsener“ Lebensart.

Die Cottbuser Inszenierung guckt an vielen Stellen genau hin und spiegelt dabei deutlich ostdeutsche Realität – die Kneipenszene inklusive NVA-Trauma spricht da Bände. Vor allem bei der Zeichnung jugendlichen Gruppenverhaltens trifft sie den Nerv der etwa 15- bis 17-jährigen Zuschauer; die gezeigten Reaktionen auf des Gespielte bewiesen das. Und sie wagt noch ein besonderes theaterpädagogisches Experiment.

Nach einer kurzen Pause gibt es für die Zuschauer die Möglichkeit, das eben Gesehene mit selbst eingebrachten Veränderungsvorschlägen noch einmal zu erleben. Forumtheater, als zentrale Methode im „Theater der Unterdrückten“, von Augusto Boal stand Pate dafür. Allerdings hätte man sich ein bisschen mehr Zeit gewünscht, dieses auszuprobieren. Denn nach einer halben Stunde und drei angenommenen Vorschlägen – unter anderem sollten in der Kneipe keine harten Sachen mehr an Jugendliche ausgeschenkt werden – war ganz schnell Schluss mit lustig.

Und die Zuschauer hatten wenigstens auf dem Theater „gemerkt“, wie schon die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben, dem besinnungslosen Trinken ein ziemlich abruptes Ende bereiten kann. Noch spannender wäre es wahrscheinlich gewesen, auf dem Nachhauseweg mitten unter den Jugendlichen zu sein und ihre ganz „privaten“ Reflektionen über das soeben Gesehene zu hören. Denn kalt lassen konnten einen vor allem die krassen Schlussszenen nicht.

Astrid Priebs-Tröger „Koma“, ein Stück vom Piccolo Theater Cottbus ist noch heute um 11 Uhr im T-Werk, Schiffbauergasse, zu sehen.

Astrid Priebs-Tröger

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