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Kultur: Widerständig oder linientreu?

In den letzten Jahren der DDR war viel möglich, man musste nur Mut dazu haben. Das sagt der Potsdamer Maler und Grafiker Stephan Velten, der zurzeit mit sechs anderen Künstlern, die ihren Weg in den 80er Jahren begannen, die Ausstellung „Freiheit der Idee – 7 mal Kunst vor ’89“ im Potsdam-Museum und der Galerie Ruhnke bestreitet.

In den letzten Jahren der DDR war viel möglich, man musste nur Mut dazu haben. Das sagt der Potsdamer Maler und Grafiker Stephan Velten, der zurzeit mit sechs anderen Künstlern, die ihren Weg in den 80er Jahren begannen, die Ausstellung „Freiheit der Idee – 7 mal Kunst vor ’89“ im Potsdam-Museum und der Galerie Ruhnke bestreitet. Im Rahmenprogramm der vielgestaltigen Werkschau wurde am Donnerstag eine ARD-Dokumentation von Klaus Peter Dencker von 1983 gezeigt, die einen differenzierten Blick auf die Malerei der DDR, wenige Jahre vor dem Mauerfall, ermöglicht.

Denn der westdeutsche Korrespondent ließ anlässlich der über die Grenzen der DDR Aufsehen erregenden IX. Kunstausstellung von 1982 sowohl Künstler als auch Kulturfunktionäre zu Wort kommen. Und mit mehr als zwanzig Jahren Abstand zeigte sich die Güte seiner Dokumentation vor allem darin, dass sein Blick nicht durch einengende Schwarz-Weiß-Schemata verstellt war. So ist es auch heute noch möglich, der damaligen Aufbruchsstimmung unter den Künstlern nachzuspüren, die Borniertheit der sozialistischen Kulturpolitik direkt zu erleben und vielfältige und noch immer beeindruckende Werke, wie beispielsweise die des jungen Hubertus Giebe, von Heidrun Hegewald oder Volker Stelzmann, zu sehen.

Und nicht, wie der Galerist Werner Ruhnke in der sich anschließenden Diskussion selbstkritisch bekannte, die Schöpfer nach dem Prinzip widerständig oder linientreu zu bewerten und die in der DDR entstandenen Werke mehr oder weniger abzuwerten und auszusortieren, wie es auch in der Gegenwart immer noch geschieht. Vom Film beeindruckt zeigte sich nicht nur das gute Dutzend Zuschauer, sondern auch die am Donnerstag anwesende Malerin Ulla Walter, die selbst als Absolventin der Leipziger Schule und Schülerin von Bernhard Heisig mit ihrer Diplomarbeit auf der IX. Kunstausstellung vertreten war.

Allerdings war ihr Aufbruch mit einem Wehmutstropfen versehen: Weil ihr an sich harmloser Auftritt in der ARD-Dokumentation mit Kulturpolitikern nicht abgestimmt war, wurde sie „kaltgestellt“. Ihr Bild wurde weder auf den Führungen berücksichtigt noch von der Kunstkritik besprochen. Gängiges Prinzip, wenn man gegen allzu forsche oder kritische Zeitgenossen vorgehen wollte. Ulla Walter erzählte, wie sie als Verbandsmitglied des VBK der DDR zwar immer wieder Aufträge bekam, die sie auch ohne sich zu verbiegen, ausführen konnte, wie ihre Arbeiten danach aber meistens in Kellern und Archiven verschwanden.

Die ARD-Dokumentation, die sie selbst fast vergessen hatte, gebe ihr ihre Vergangenheit zurück und die Möglichkeit, sich an ihre alten Bilder zu erinnern. Über deren Verbleib sie oft nichts weiß. Wie schwierig der Umgang mit der DDR-Kunst sich nach der Wende gestaltete, klang ebenfalls im Publikumsgespräch an. Museumsdirektorin Jutta Götzmann sprach von den 5000 Bildern aus den Jahren 1975 bis 1989, die allein das Potsdam-Museum ankaufte, ein Zuhörer verwies auf die Sammlungen der Burg Beeskow, die nach der Wende viele Bilder vor dem Verfall oder gar der Zerstörung bewahrten. Wohlwollende und kritische Neugierde, wie sie dem Regisseur der Dokumentation bescheinigt wurde, sei deshalb anstelle von Siegermentalität, die lange straff durchgezogen wurde, so ein Zuhörer, vonnöten, um den DDR-Künstlern und ihren Werken gerecht zu werden. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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