zum Hauptinhalt
Auswahlverfahren. Jutta Götzmann und Werner Ruhnke mit Bildern von Michael Arantes Müller.

©  Andreas Klaer

Von Dirk Becker: Mehr als sozialistischer Realismus

Potsdam-Museum und Galerie Ruhnke wollen gemeinsam Kunst aus der DDR zeigen

Angefangen hat alles im Frühjahr, mit der Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau. „Sechzig Jahre – Sechzig Werke. Kunst aus der Bundesrepublik Deutschland von ’49 bis ’09“, so der Titel. Schnell geriet das dort Gezeigte in die Kritik, weil zwar Spätgeborene wie Neo Rauch, Eberhard Havekost und Carsten Nicolai und der Begründer der Leipziger Schule und 1980 aus der DDR Ausgebürgerte, A.R. Penck, aber keine DDR-Künstler ausgestellt wurden. Nun war der Ausstellungstitel zwar eindeutig. Trotzdem mehrten sich die Stimmen, die die Konzentration auf „West-Kunst“ bemängelten und fragten, ob Bildende Kunst in der DDR so banal oder staatsgelenkt gewesen sei, dass sie in einer solchen Ausstellung nicht gezeigt werden könne?

Der Potsdamer Galerist Werner Ruhnke ärgerte sich ebenfalls über die Einseitigkeit dieser Ausstellung. Und auch Jutta Götzmann, Direktorin im Potsdam-Museum.

Ruhnke sprach und diskutierte darüber mit Künstlern, die er schon lange kennt und als Galerist vertritt und die eine „DDR-Vergangenheit“ haben. Und als er mal wieder seinen Ärger über „Sechzig Jahre – Sechzig Werke“ Luft machte, sagte der Maler Michael Arantes Müller zu ihm, dass er als Galerist doch einfach zeigen könne, dass Kunst in der DDR mehr war als nur „sozialistischer Realismus“. Da eine solche Ausstellung die Möglichkeiten seiner Galerieräume in der Charlottenstraße sprengen würde, ging er zu Jutta Götzmann, erzählte von der Idee und fand in ihr sofort eine Gleichgesinnte. Derzeit sind beide mit den letzten Planungen für die Gemeinschaftsausstellung „Freiheit der Idee. 7 mal Kunst vor ’89“ beschäftigt, die am 28. November im Potsdam-Museum in der Benkertstraße und in der Galerie Ruhnke eröffnet werden soll.

Für Jutta Götzmann, die seit einem Jahr das Potsdam-Museum leitet, ist diese Ausstellung endlich eine Möglichkeit, sich mit dem Bestand aus der Sammlung „Sozialistische Kunst“ auseinanderzusetzen. Insgesamt 5000 Werke hat das Museum in den Jahren von 1975 bis 1989 von Künstlern aus der DDR gesammelt. Doch für viele langjährige Mitarbeiter im Museum sei dieser Bestand auch 20 Jahre nach der Wende noch immer eine Art Tabu. Jutta Götzmann weiß, dass eine Ausstellung mit Werken von DDR-Künstlern schnell zu dem Vorwurf führen kann, hier soll vielleicht das politische System verharmlost werden.

„Wir wissen auch, dass der Titel ,Freiheit der Idee’ provokant wirken kann“, sagt Jutta Götzmann. Doch wer sich mit den Werken der ausgestellten Künstler Falko Behrendt, Frank Gottsmann, Roswitha Grüttner, Stephan Möller, Michael Arantes Müller, Stephan Velten und Ulla Walter auseinandersetzt, wird sehr schnell erkennen, dass der Begriff Freiheit – in künstlerischer Hinsicht – in den Arbeiten dieser Künstler seine Entsprechung findet. Obwohl die geplante Ausstellung nur sieben Künstler zeigt, also in keinem Fall als repräsentativ verstanden werden soll, macht sie deutlich, dass es bei den bildenden Künstlern in der DDR keinen Einheitsstil gab, wie bis heute immer wieder unterstellt wird. „Ich hatte eigentlich Überschneidungen erwartet“, sagt Werner Ruhnke. Doch er war selbst überrascht, wie unterschiedlich, wie groß die Bandbreite der DDR-Kunst vor 1989 war.

Qualität und Vielfalt waren die Auswahlkriterien für die Künstler. Und so ist neben der Malerei auch die Bildhauerei in „Freiheit der Idee. 7 mal Kunst vor ’89“ vertreten. Für Jutta Götzmann und Werner Ruhnke, die mit der Gemeinschaftsausstellung zum ersten Mal eine Zusammenarbeit von öffentlichem Museum und privater Galerie in Potsdam ermöglichen, wollen auch eine aktive Auseinandersetzung mit der gezeigten Kunst. In der vergangenen Woche haben sie Interviews mit allen sieben Künstlern geführt, die während der Ausstellung auf Bildschirmen in einer Endlosschleife laufen. Daneben sind zwei Künstlergespräche mit Besuchern geplant.

„Hier haben wir die Möglichkeit, noch mit den Künstlern zu sprechen, die ja auch Zeitzeugen sind“, sagt Jutta Götzmann. Wie viele Museen und Galerien hatten sie ihre künstlerische DDR-Vergangenheit in Kisten und Kellern verpackt. Erst durch die Ausstellungsvorbereitungen habe auch bei ihnen oft erst wieder eine intensive Beschäftigung mit dieser Zeit begonnen. Und es hat sich gezeigt, wie viele Klischees und falsche Behauptungen über Bildende Kunst bis heute das öffentliche Bild prägen. „Da war viel mehr als nur sozialistischer Realismus“, sagt Werner Ruhnke. Und das gilt es zu entdecken.

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false