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Kultur: Von Außenseitern

Der Potsdamer Maler Julius Ruge zeigt in der Reihe „Red Wall“ seine „Machineheads“

In den ersten Minuten noch glaubt man an einen Scherz, hält diesen kurzen Film für eine Inszenierung über einen Menschen und seine befremdliche Leidenschaft. Da steht einer in einem Hundekostüm am Straßenrand wie bestellt und nicht abgeholt. Später tanzt er in seiner Wohnung, noch immer in diesem Hundekostüm, zu Diskomusik, versucht durch die überdimensionierte Hundeschnauze einen Strohhalm zu stecken um zu trinken und erzählt dann, wie sehr er es doch immer wieder genießt, sich in dieser Kostümierung als Tier zu fühlen.

Julius Ruge ist begeistert von diesem Kurzfilm mit dem Titel „A Furrytale“. „Er passt perfekt“, sagt Ruge und blickt dabei so ernst und undurchschaubar, dass unklar bleiben muss, ob er dieser ungewöhnlichen Leidenschaft des anonymen „Fursuiter“ – so der Fachbegriff für den Freizeitfellträger – glaubt oder den Film nur für einen künstlerischen Geniestreich hält. Aber ob man nun glaubt oder nicht, was „A Furrytale“ zeigt, verwirrt auf jeden Fall. Wie die Bilder von Julius Ruge, die ab kommenden Dienstag im Waschhaus zu sehen sein werden. „Machineheads“ hat Julius Ruge seine Porträtreihe genannt. Es ist die mittlerweile fünfte Ausstellung der Anfang dieses Jahres begonnenen Reihe „Red Wall“, die jungen Künstler die Möglichkeit geben soll, ihre Arbeiten in einem kleinen Rahmen ausstellen zu können. Zur Ausstellungseröffnung wird auch „A Furrytale“ gezeigt.

Ruge hat einen Teil der Bilder auf dem Tisch ausgebreitet. Insgesamt werden 18 Porträts – 14 klein- und 4 großformatige – im Waschhaus-Flur hängen. Bilder, die man nicht im Vorübergehen aufnimmt. Es sind anfangs bedrückende und verstörenden Gesichtslandschaften, die der 29-jährige Künstler für diese Ausstellung gemalt hat. Nur bei wenigen sind die Gesichter auf den ersten Blick zu erkennen. Menschliche Formen und Konturen, oft nur vage, verschwimmen mit den technischen Details, die hier in die „Machineheads“ gepflanzt wurden. Albtraumhafte Gesichter, Geschöpfe gar, die Ruge auf das Papier gebracht hat. Doch je länger man sie betrachtet, umso mehr schwindet die anfängliche Distanz zu diesen abstrakten Wesen, diesen unerklärlichen Zwitterteilen. Und dann entdeckt man die kleinen Details, die grafischen Finessen, die in diesen Porträts stecken und stellt fest, dass hinter dem Furchteinflössenden oft auch etwas Humorähnliches lauert. Comichafte Anspielungen, die dem Kantig-Fremdartigen etwas Weiches, fast schon Zugängliches geben.

>Ähnlich wie der Kostümträger in „A Furrytale“ sind auch die „Machineheads“ des Potsdamer Malers Julius Ruge Außenseiter. Ihr Anderssein verstört und lässt auf Distanz gehen. Weil das Vertraute fehlt, wirkt hier Abneigung. Während man aber bei „A Furrytale“ die ganze Zeit das Gefühl nicht los wird, einem cleveren Team von Spaßfilmemachern auf den Leim zu gehen, wirken Ruges „Machineheads“ in ihrer Starrheit tiefer und stärker. Das anfänglich Verwirrende der „Machineheads“ weicht einer gewissen Faszination. Ein Grund dafür liegt auch in der Technik, mit der Ruge hier gerabeitet hat.

Dominierend ist dabei die Farbe Blau. Mal in feinen Strichen, mal in dichter Schraffur. Es ist das Blau des Kugelschreibers, das die „Machineheads“ prägt und ihnen etwas bekannt Kühles geben. Das Feine, Filigrane des Kugelschreiberstrichs, das Ruge schon seit Jahren fasziniert, regelmäßig in seine Arbeiten einfließen lässt und förmlich das Technische an diesen nur in Grundrissen humanoiden Wesen noch unterstreicht. Wesen, deren Deformationen noch längst nicht abgeschlossen sind. Es ist der Prozess der Entstehung, der Julius Ruge bei der Arbeit an diesen Porträts fasziniert. Kein klares Konzept, sondern eine Vorstellung, ein Gefühl, von dem er sich leiten lässt. Und das ihn immer weiter treibt. „Einige der Porträts sind noch nicht ganz fertig“, sagt Ruge. Die Deformation seiner „Machineheads“ schreitet immer weiter fort. So kann es sein, dass Ruge noch kurz vor der Ausstellungseröffnung die letzten kugelschreiberblauen Striche hinzufügen muss. Dirk Becker

Vernissage von „Machineheads“ in der Reihe „Red Wall“ mit „A Furrytale“ und Konzert der Musikantenknochen am Dienstag, dem 5. Juli, ab 20 Uhr im Waschhaus in der Schiffbauergasse

Dirk Becker

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