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Gesucht und gefunden. Die Malerin Linde Kauert und der Buchgestalter Heinz Hellmis mit einem Produkt aus ihrer Edition Zwiefach.

©  Andreas Klaer

Von Astrid Priebs-Tröger: Zum Lesen verführen

Linde Kauert und Heinz Hellmi schaffen in ihrer Edition Zwiefach in Groß Glienicke ganz besondere Bücher

Einem Töpfer oder Schmied hat auf Märkten wohl schon jeder über die Schulter geschaut. Wie es aber in einer Dichterwerkstatt zugeht, wissen die Wenigsten. Denn zumeist vollbringen die Vertreter der schreibenden Zunft ihre Werke im Stillen, hinter verschlossenen Türen. Seit Oktober ist jedoch ein Buch auf dem Markt, das den Leser an die „Werkbank“ des Dichters Richard Pietraß führt. Dieses 68 Seiten zählende „Kiebitzbuch“ ist in der Groß Glienicker Edition Zwiefach entstanden, die vor zwei Jahren von der Malerin Linde Kauert und dem Buchgestalter Heinz Hellmis ins Leben gerufen wurde.

Der Name für ihren Verlag ist Linde Kauert im Traum eingefallen und auch sonst hat die agile 56-Jährige mit sicherer Intuition und einigem Glück ihren künstlerischen Weg gefunden. Nach einem Pädagogikstudium in Erfurt arbeitete sie nur anderthalb Jahre als Lehrerin für Kunst und Deutsch, um danach eine Tischlerausbildung zu machen. Nach einem schweren Arbeitsunfall, fing sie „freiberuflich“ zu nähen an und absolvierte mit Mitte Dreißig ein Abendstudium an der Kunsthochschule Weißensee und parallel dazu eine Ausbildung an der „Spezialschule Plastik“ der Bezirkskulturakademie Berlin. Dort habe sie sehen gelernt, sagt sie heute und erkannt, dass sie Bildhauerin werden wollte.

Doch die Wende und eine Beziehungs- und Identitätskrise „spülten“, wie Linde Kauert es nennt, sie für sieben Jahre in ein „Spielmobil“, wo sie nach und nach wieder selber spielen lernte. Mit Kreativen aus ganz Europa übte sie sich in Vertrauen, Toleranz und Loslassen und hatte Spaß, wenn alle an einem Strang zogen. Das waren sehr neuartige Erfahrungen für die Lehrertochter. Wen wundert es da, dass nach weiteren sieben Jahren in einem Mädchentreff zum Malen fand. Seit 1995 hat sie in jedem Urlaub drei Wochen gemalt und wieder verhalf ihr der Zufall zu einem Studium der Kunsttherapie und der intensiven Beschäftigung mit freier Malerei. Das Leben führt einen dahin, wo man hin soll, sagt sie im Rückblick.

Sehr viel geradliniger ist der Entwicklungsweg von Heinz Hellmis verlaufen, der seit fast sechzig Jahren mit Buchgestaltung zu tun hat. Seit 1964 arbeitet er für den renommierten Aufbau-Verlag, für den er unter anderem die Werke Erwin und Eva Strittmatters und bis heute die große Fontane-Ausgabe gestaltet. Kalligrafie, Bleisatz und Buchgestaltung sind wie eine Droge für den jetzt 75-Jährigen und als er die beseelt-farbenfrohen Bilder Linde Kauerts zum ersten Mal sah, war die Idee, einen Verlag zu gründen bald in der Welt. „Nur Malen im Atelier und dann Stapeln, das ist einfach nichts für mich. Als ich Heinz getroffen habe, bekam alles eine Grundlage“, beschreibt Linde Kauert den gemeinsamen Werdegang.

Und so entwerfen sie seit 2007 in der Waldsiedlung in Groß Glienicke ihr sehr eigenes Editionsprogramm. Linde Kauert schrieb und illustrierte zu Anfang ein Kinderbuch und schuf bald darauf einfühlsame Aquarelle zu Äsopschen Fabeln. Heinz Hellmis stellte für Eva Strittmatter den gediegenen Foto-Bild-Textband „Für meine Schulzenhof-Freunde“ zusammen und die bald 80-jährige Dichterin ist auch in zwei weiteren Verlagseditionen Dreh- und Angelpunkt. Wie in dem reich bebilderten und mit „Schmierzetteln“ von des Dichters Hand versehenen Pietraß-Buch, kann man auch in „Seele seltsames Gewächs“ Gedanken über das Schreiben und Selbstreflexionen von Eva Strittmatter finden. Beide Bücher verführen den Leser förmlich zum Lesen weiterer Originaltexte. Das liegt einerseits daran, dass sie scheinbar längst Vergessenes wieder zum Klingen bringen und in ihrer gelungenen bibliografischen Gestaltung auch einen Sog für Uneingeweihte entwickeln. Man mag sie außerdem gern in die Hand nehmen, weil neben anspruchsvoller Gestaltung, auch ungewöhnliche Formate und starke Qualitätspapiere einen nachhaltigen haptischen Eindruck hinterlassen.

Eva Strittmatter war von den „Schulzenhof-Freunden“ so angetan, dass sie Geld für das Projekt vorschoss. Und auch andere Bücher, die der Zwei-Personen-Verlag in Angriff nimmt, werden von Menschen, die bibliografische Güte schätzen, finanziell unterstützt. Denn Linde Kauert, die in Personalunion für Gestaltung, Öffentlichkeitsarbeit und Vertrieb zuständig ist, braucht einen langen Atem, um die bibliophilen Ausgaben an die Leser zu bringen. Sowohl auf diversen Kunstmärkten als auch in ausgewählten Buchhandlungen, wie im Internationalen Buch in Potsdam, kann man sie finden, doch einen flächendeckenden Vertrieb gibt es bisher nicht.

Was bedauerlich ist, denn ein Buch wie das Kaleidoskop einer Kindheit in acht Textbildern des Strittmatter-Kenners Günther H. W. Preusse nimmt einen nicht nur in die Kindheit Eva Strittmatters mit, sondern eröffnet einen weiten Assoziationsraum, sowohl zur eigenen als auch zum Thema Kindheit und Erinnerung im Allgemeinen. Und das nächste Vorhaben, eine Reihe, die „Zwischen den Pappdeckeln“ heißen wird, und bei der die Kunsttherapeutin Linde Kauert Geschichten und Bilder von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen sammelt und ediert, wird dann, so bleibt zu hoffen, eine größere Verbreitung finden.

Astrid Priebs-Tröger

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