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Von Astrid Priebs-Tröger: Wechselbad der Gefühle

Heitmann sang über das Verlassenwerden

Wohl das bekannteste Chanson von Jacques Brel „Ne me quitte pas“ hat auch der Schauspieler Philipp Alfons Heitmann in seinem Repertoire. Allerdings singt er nur eine einzige Zeile davon. „Geh nicht fort von mir“ – das aber in vielfarbigen Schattierungen: traurig, flehend, bittend, wütend, auch ironisch, leichtsinnig und erleichtert. Und so ist auch der ganze Abend, den er gemeinsam mit seinem Pianisten Nico Schulze über das Verlassenwerden kreiert hat und der am Freitagabend in der Reihe „Freistil“ im Jungen Theater zu erleben war. Die Zuschauer umgab ein ungewohntes Ambiente, denn Sessel und Sofas waren im Halbkreis zwischen den zwei Treppen aufgestellt und die Wohnzimmerstehlampen verbreiteten Salonatmosphäre im sonst eher nüchternen Foyer.

Nico Schulze und Philipp Alfons Heitmann – der Schauspieler ist zur Zeit als Gast im Jungen Theater Potsdam zu erleben – haben großen Spaß daran, die komplette Gefühlspalette des Verlassenwerdens und -seins auszuschöpfen. Und es gelingt ihnen auch, scheinbar wiedersprüchliche Emotionen zusammenzubringen.

Nach der ersten unerwiderten Liebe zu einem Mädchen namens Lilly kann man erleben, wie der Pianist per Handyanruf während des Konzerts „live“ verlassen wird. Kurz darauf singt Heitmann mit einigem Genuss am wirklich endgültigen Schlussmachen Georg Kreislers „Bidlabuh“ und mitten im einstündigen Programm – Brecht, Tomte und Die Ärzte inklusive – gibt es einen Text mit den sehr nachdenklich stimmenden Fragen eines Nachgeborenen. An den eigenen in Woronesh gefallenen Großvater.

Da zieht einer viele Register und will die Leute nicht „nur“ unterhalten. Dabei wird die Nachdrücklichkeit und Ernsthaftigkeit permanent „gebrochen“. Beispielsweise durch das atemlose und etwas belustigte Verlesen von Einträgen in den Internetblog „verlassen.de“ oder das Zelebrieren solcher Nummern wie „Pärchenlüge“ oder von Helge Schneiders „Gartenzaun“. Und gerade in dieser nahtlosen Konfrontation – es ist auch eine selbst erlebte sehr tragische Episode zu hören – entsteht eine Atmosphäre, der sich die anwesenden Twens ebenso wenig wie die Endvierziger entziehen können. Selbst die Handvoll anwesender Kinder langweilt er nicht.

Heitmann trifft den Ton. Mal schnoddrig und großspurig, dann wieder zart, sensibel und berührend. Und auch das gut eingespielte, lockere Zusammenspiel von Sänger und Pianist lässt in Zukunft von diesem talentierten Duo noch einiges erwarten.

Gerade arbeiten beide an einem „Heimatprogramm“, dass noch in diesem Jahr zur Premiere kommen soll. Möglicherweise in Potsdam. Der 32-jährige Heitmann hat sich schnell „eingelebt“ im Ensemble des Jungen Theaters und er präsentiert dann auch einen Überraschungsgast: Jenny Weichert, mit der er gemeinsam in „Kater Zorbas“ spielt. Auch sie zeigt in dem bitterscharfsüßen Chansonabend bisher unbekannte Seiten, als sie mit ihm gemeinsam „Alles vorbei“ von Manfred Krug zum Besten gibt. Stürmischer Applaus ganz am Ende und der Wunsch, gerade in „Freistil“ noch öfter als bisher junge musikalische Begabungen zu erleben.

Astrid Priebs-Tröger

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