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Von Astrid Priebs-Tröger: Haben oder Sein

„Vom Fischer und seiner Frau“ hatte im T-Werk Premiere

Sie kommt von ganz unten: Barfuß klettert die schmale Fischersfrau aus dem Kasten der hölzernen Sitzbank. Singend und im Blumenkleid wischt sie Staub. Und probiert nach getaner Arbeit mit Lust ihre roten Tanzschuhe an. Das Leben vom Fischer und seiner Frau könnte eigentlich ewig so weitergehen. Wenn nicht eines Tages etwas Unerwartetes geschehen würde. Auch in der Inszenierung von Jens-Uwe Sprengel, die am Samstag im T-Werk zur Premiere kam, angelt der gutmütige Fischer den verzauberten Butt. Den er auf dessen Bitte ohne Ansprüche und Forderungen wieder ins kühle Nass entlässt. Und dort könnte dieser auch bleiben, wenn er nicht seiner Frau (Suse Weiße) von diesem verwunschenen Fisch erzählt hätte. Denn die hat Höheres im Sinn.

Sie ist die treibende Kraft in diesem Spiel um Liebe, Macht und Maßlosigkeit. Und obwohl sie ihrem vierschrötig wirkenden Mann (Timo Sturm) körperlich unterlegen ist, übertrifft sie ihn in ihren geistigen Ansprüchen. Denn anders als er hat sie sich nicht in diesem genügsamen Leben eingerichtet. Sie sehnt sich nach Abwechslung, hat andere Interessen als das tägliche Kleinklein.

Doch gerade diese konträren Temperamente, die beide Schauspieler, die den Grimmschen Text abwechselnd erzählen, mit minimalen Gesten und pointiert wiedergeben, machen diese langjährige Ehe erträglich. Und als der Fischer zum ersten Mal zum Butt geht und ein kleines Häuschen erbittet, kommt auch erotisch ein neues Glück daher. Wunderbar der Tango auf der Bank und die Lippenstiftabdrücke auf den Wangen beider. Doch leider kann die Frau den blutroten Rachen nicht vollkriegen und der Fischer ihrer Maßlosigkeit keinen Einhalt gebieten. Timo Sturm windet sich im Loyalitätskonflikt und lässt sich wider besseres Wissen bis zum Äußersten treiben.

Und dieses Höher, Schneller, Mehr, das in Jens-Uwe Sprengels Erzähltheaterinszenierung, die für Kinder ab acht Jahre gedacht ist, für Erwachsene auch als Parabel auf die gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklung zu lesen ist, wird mit sparsamen Mitteln (Ausstattung: Heide Schollähn) eindrucksvoll und zum Teil als Schattenspiel inszeniert. Da braucht es keine prächtigen Kleider und kostbaren Insignien der Macht, um die wirklichen Machtverhältnisse widerzuspiegeln. Der Schattenriss der Frau, die auf der Rückenlehne der Bank steht und ihren Mann haushoch überragt, zeigt alles, was zu sagen ist.

Schließlich kommt, was kommen muss. Auch die gewünschte Gottgleichheit wird in Erfüllung gehen. Doch anders als gedacht. Das ist das Besondere an Sprengels Inszenierung: Während der Wahn des Immer-mehr-Habens das Gesicht der Fischersfrau zur hässlichen Fratze erstarren und den Fischer verzweifeln lässt, zaubert der Rückfall ins einfache Sein beiden Eheleuten Fröhlichkeit und Witz ins Antlitz. Diese Schlussbilder sind so hoffnungsvoll und lebensbejahend, dass man sich nach dieser knappen Stunde fragt, ob nicht alles andere nur ein böser Traum war und das „einfache“ Leben eine wirklich wunderbare Alternative ist.

Astrid Priebs-Tröger

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