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Von Astrid Priebs-Tröger: Alles blieb schön vage

Maskenperformance hatte im T-Werk Premiere

Masken haben eine besondere Anziehungskraft. Schon wie sie so am vorderen Bühnenrand aufgereiht lagen, versuchte man zu ergründen, wen oder was sie wohl darstellen würden. Taschen, Perücken und Schuhe waren zwischen ihnen platziert und in der ersten Zuschauerreihe hatten zwei schwarzgekleidete Spielerinnen Platz genommen. Aber die Maskenperformance der jungen internationalen Truppe „Pipe Dream“s Inc.“, die am Donnerstagabend im T-Werk zur Premiere kam, eröffneten nicht die beiden Spielerinnen Signe Holtsmark und Sabine Zahn, sondern eine Videoprojektion auf dem hinteren Bühnenvorhang.

Ein seltsames Gebilde – Klöppel oder Leuchtkörper? – schwang sich darin durch labyrinthartige schummrige Gänge, unterlegt mit Rauschen und ab und an vom Klang eines Glöckchens unterbrochen.

Doch kurz darauf kommen auch die Masken ins Spiel. Und sie sind es auch, die in der knapp einstündigen Aufführung der norwegischen und deutschen Performerinnen die größte Faszination auslösen. Überdimensionierte weiße Pappmachégebilde mit hohlen Wangen, knubbeligen oder spitzen Nasen oder vor Schreck geweiteten Augen. Einsamkeit, Bosheit, Unbekümmertheit oder Mütterlichkeit sind nur einige der Befindlichkeiten, die sie auszudrücken vermögen.

Gunda, die streng Mütterliche und Siegfried, der erwachsene (Sohne)Mann. Sie tauchen mehrmals auf und zeigen immer wieder Grundfacetten menschlichen Zusammenseins. Brutal, wie sie ihn konditioniert, damit er weiter im alltäglichen Hamsterrad der Erwerbsarbeit funktioniert. Berührend, wie sie einsam zurückbleibt und in einem Strudel verschwindet.

Hatte man als Zuschauer jedoch begonnen, sich auf die jeweilige Spielsituation einzulassen, ging es einem bald so wie dem rotberockten Mädchen, das dem seltsamen „Klöppel“ aus dem Anfangsbild hinterher kletterte, um ihn im Wortsinn zu begreifen. Als sie endlich auf seiner Höhe angekommen war, verschwand die Videoprojektion des Gebildes, wie sie gekommen war, und die Suchende griff am schwarzen Vorhang ins Leere. Auch das Sound- und Videodesign von Jan Mech und Judit Kurtág ergaben mit Blubbern oder Insektengeräuschen und der Projektion von Fahrstühlen oder vorbeiziehenden Strommasten nicht wirklich einen „Sinn“. Und Worte, die irgendetwas genauer festschreiben konnten, gab es überhaupt keine. So blieb einem „nur“, in erster Linie durch die archaisch schönen Masken angeregt – Mischungen aus sogenannten Larven- und Charaktermasken – eigene Bilder hoch zu holen und diese weiterzumalen.

Das konnte in den paradoxen Paarszenen genauso gelingen wie bei den rothaarigen streitlustigen Damen oder dem unermüdlichen Büroarbeiter, der in seinem sinnlosen Tun wie aus einem Roman von Kafka entsprungen wirkte. Sein Gesichtsausdruck indes ließ einem Edvard Munchs „Schrei“ in den Sinn kommen. Aber auch das war wieder nur ein Bruchstück, aus dem man sich ganz umsonst eine irgendwie geschlossene oder logische „Geschichte“ zu basteln versuchte.

Alles blieb schön vage und vermochte dennoch in seinen Bann zu ziehen. Nicht zuletzt, weil man immer wieder enttäuscht wurde. Was ja nichts anderes als das Freimachen von (Selbst)-Täuschung bedeutet und ein überaus anregender Vorgang sein kann.

Langanhaltender herzlicher Applaus für die junge Truppe, zu der auch Johannes Dullin (Choreografie) und Anna Wagner (Dramaturgie) gehören und die zum ersten Mal im Potsdamer T-Werk zu Gast war.

Nächste Vorstellung heute Abend um 20 Uhr im T-Werk, Schiffbauergasse.

Astrid Priebs-Tröger

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