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Lutz Friedels Babylon.

© promo

Von Almut Andreae: Babylon in Arkadien

Skulpturen und Malerei von Lutz Friedel im Museum FLUXUS+ / Lichtinstallation von Ciervo illuminiert ab April den Schirrhof

Monumentale Turmgebilde dominieren die Szenerie: kompakte Körper von statuarischer Strenge. Vier großformatige Leinwandbilder variieren das Motiv „Der Turm zu Babel“. Der Blick in einen Krater auf einem weiteren Gemälde schlägt eine Brücke zum „Ausbruch des Ätna“, dem der Künstler Lutz Friedel im Jahr 2001 eine Serie kleiner Ölbilder auf Malpappe widmete. Im Zeitraum zwischen 1988 und 2001 entstanden, sind diese Bilder nun im Atrium des Museum FLUXUS+ zu sehen.

Alles in allem keine leichte Kost, weder was die Wucht der Turmbilder angeht noch die verschiedenen Ansichten des spuckenden Ätna, die in Friedels Bildreihe aus jenem Schicksalsjahr ein trostloses Echo in der rauchenden Skyline Manhattans finden. Der biblische Turm zu Babel als Sinnbild für menschliche Hybris und Verblendung wird in den um 1990 entstandenen Großformaten dramatisch inszeniert. Rot-Orange glimmt es unter dem schlackeartig eingesetzten Asphalt-Schwarz hervor. „Babylon in Arkadien“ beschreibt eine Paradoxie menschlicher Grundexistenz.

Lutz Friedel, geboren 1948 in Leipzig ist nach seinen künstlerischen Jahren in Dresden und Leipzig spätestens mit seiner Übersiedlung in den Westen auch nach außen hin zum Grenzgänger geworden. Existenzielle Erfahrungen hinterlassen ihre Spuren in einer Malerei, die in expressiver Manier miteinander im Widerstreit liegende Kräfte bündelt. Die schwere Materialität der teilweise mittels Spachtel und Bitumen entstandenen großen Leinwände mit ihren virtuos inszenierten Hell-Dunkel-Kontrasten sorgt für besondere Anziehungskraft.

Lutz Friedel, der Meisterschüler von Bernhard Heisig war, ist in erster Linie Maler. Seit den neunziger Jahren jedoch ist er auch als Bildhauer in Erscheinung getreten. Längst nehmen die kolossalen Kopf-Skulpturen aus Holz in seinem Werk einen prominenten Platz ein. Mit Kettensäge und Beitel hat der Künstler inzwischen wohl hundert von ihnen, die meisten drei Zentner schwer und mehr, aus massiven Eichenblöcken hervor getrieben. Meist werden sie, allein schon der besseren Witterungsbeständigkeit wegen, im Anschluss mit Ölfarbe und Leinöl bemalt. Die aktuelle Ausstellung wartet mit fünf Exemplaren aus dem riesigen Kopf-Arsenal Lutz Friedels auf. Auch für Kenner seines Werks wohl eher eine Neuentdeckung ist da eine schlanke Büste mit dem Titel „Ketzer“. Zu sehen ist der erste Bronzeguss eines Prototyps, denen in den vergangenen Jahren bereits mehrere Exemplare in Holz vorausgegangen waren. Für Friedel besteht der Reiz dieser spezifischen Physiognomie in dem vergleichsweise kleinen Gesicht "unter der erdrückenden Last des riesigen Hutes".

Mit seinen Kopf-Skulpturen und Gemälden („Bilder aus dem Kopf“ und „Hommage à Manet“) ist der Maler-Bildhauer zusammen mit drei weiteren Gegenwartskünstlern im ersten Obergeschoss des Museums FLUXUS+ dauerhaft vertreten. Zwei von ihnen – Sebastian Heiner und Costantino Ciervo – werden ab Juni nacheinander im Rampenlicht stehen. Spannend verspricht es zuzugehen, wenn der abwechselnd in Berlin und Bejing arbeitende Maler Sebastian Heiner an mehren Samstagen im Juni im Atrium vor Publikum malen wird. Die in diesem Zeitraum entstehenden Arbeiten werden hier den Sommer über ausgestellt. Dem Multimediakünstler Costantino Ciervo wird ab September eine Sonderausstellung mit neuen Arbeiten gewidmet sein.

Schon deutlich eher wird eine neue Lichtinstallation von Ciervo den Schirrhof illuminieren. Die feierliche Enthüllung seiner Außenwandinstallation für das Museum FLUXUS+ findet am 25. April anlässlich eines großen Festes statt, mit dem das Museum an dem Tag sein einjähriges Bestehen feiert. Schwerpunkt der Sammlung von Heinrich Liman als Hausherrn sind Arbeiten des 1998 verstorbenen Fluxus- und Happening-Künstlers Wolf Vostell. Sie wird durch eine Dauerausstellung mit Künstlern der Fluxus-Bewegung sowie besagtem Quartett zeitgenössischer Künstler, darunter Hella De Santarossa, ergänzt, die aus der Sicht des Hauses die Fluxus-Maxime „Kunst ist Leben. Leben ist Kunst" neu interpretieren.

Lebensgefühl und Bewegung, die der Fluxus-Maxime folgend ab den sechziger Jahren weite Kreise der Avantgarde erfassten, sind in den bildenden und performativen Künsten vereinzelt noch immer lebendig. Dennoch ist Fluxus für viele nach wie vor ein Buch mit sieben Siegeln. Hier möchte das Museum FLUXUS+ am Tiefen See gezielt gegensteuern.

Mit Führungen durch die Dauerausstellung, Aktionstagen, Beteiligungen beim Potsdamer Theaterfestival UNIDRAM, bei der Langen Nacht der Museen oder der Märchen, mit Performances und Livemusik und nicht zuletzt mit seinen Sonderausstellungen im Atrium bieten es vielfältige Möglichkeiten, in Punkto Fluxus anzudocken. Auch für den interessierten Nachwuchs ist bereits gesorgt. Neben Führungsangeboten für Kinder durch das Haus gibt es in den Osterferien für „museum kids“ erstmalig eine Mitmach-Werkstatt mit Druckgraphik, Collage und Schattenspiel.

Öffnungszeiten der Ausstellung „Babylon in Arkadien“ bis zum 17. Mai, täglich außer montags von 12 bis 20 Uhr, Schiffbauergasse am Schirrhof.

Almut Andreae

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