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Kultur: Verse auf der Kachelwand

Der Literaturpreis 2010 des Brandenburgischen Literaturkollegiums ging an den Berliner Lyriker Dieter Lenz

Das Problemkind „Lyrik“ stand in diesem Jahr bei der Vergabe des Literaturpreises des Literatur-Kollegiums Brandenburg (LKB) auf dem Programm. Der vorjährige Preisträger mit dem ausgebetenen Künstlernamen J. T. A. Wegberg brachte das am Sonnabendnachmittag in seiner Laudatio auf den Punkt. Derzeit hätten in den Verlagen und Buchläden eher „Kaufleute“ als literaturbeflissene und sprachinteressierte Leute das Sagen. Buchhandlungen verlangten gar „Rabatt“ für die Präsentation von Büchern, die gerade als „Bestseller“ gelten. Wer als Autor auch geschäftlich erfolgreich sein will, sollte „happy news“ produzieren, empfahl der Berliner gallig von der Bühne des Potsdamer Kabaretts herab.

Sprach- und Literaturpflege schrieb sich der Verein ja mit seiner Gründung 1990 ins Stammbuch. Heute gehören ihm mehr als hundert Literaten, Regisseure, Bibliothekare, Übersetzer und sonstige „Freunde der Literatur“ an. Weg vom Discount – hin zur Substanz, das lohnt sich immer. Für das ausgeschriebene, recht ästhetikferne Thema „Beständigkeit und Wandel“ hatten einige Dutzend Autoren um die dreihundert Werke eingesandt. Fünf vereinsinterne Juroren gaben sich alle Mühe, „den“ Preisträger herauszufinden. Man operierte dabei sogar mit Codewörtern, statt mit Einsender-Namen!

Offenbar war das lyrisch-ästhetische Angebot derart groß, dass man neben dem Hauptpreis erstmals zwei zur Honoration dazugab: „Anerkennung“ für die Wuppertalerin Angelika Zöllner und für Kenah Cusanit aus Leipzig. Unbekannt? Christa Kozik und der Michendorfer Autor Manfred Kolb mühten sich redlich, dies in gebotener Kürze zu ändern. Leider waren die beiden auserwählten Lyriker absent.

Vielfach bewundert, spielte die Potsdamer Harfenistin Dagmar Flemming zwischen den Parts ganz wundersame Melodien aus dem irisch-englischen Raum.

Wer freilich „Verse auf der Kachelwand“ zu schreiben versteht, und zudem liefert, was die Jury unter dem Kürzel „Leichtigkeit und Heiterkeit“ sonst weithin vermisste, war der einvernehmliche Gewinner der Stunde. „Mit Spannung“ habe man die Gedichte von Dieter Lenz gelesen, berichtete Vereins-Vize Walter Flegel. Der Zuschlag zum „Brandenburgischen Literaturpreis 2010“ als „Herzschlagentscheidung“! Schön gesagt. Begründungen zu Lenzens Handwerk, zur lyrischen Anatomie können hier mal außen vor bleiben, dass er sich aber „an den Regeln der Poetik orientiert“, schien den Juroren schon bemerkenswert, das Kollegium versteht sich ja ein bisschen als Hüter der alten Poetik.

„Wie Weihnachten“ schien es dem Geehrten aus Berlin-Blankenburg, als sein Name genannt ward. Er dankte für Preis und Ehre, las, was er zum Thema „Beständigkeit und Wandel“ einzubringen hatte – sich selbst. In den „Verfrühten“ versucht er eine ganz persönliche Raum- und Zeit-Bestimmung zwischen Neuem und Altem, in „Apokalypse“ steht, dass die Heutigen bei aller Vergängnis nicht bereit seien, „dem eigenen Schrei zu lauschen“. Bei ihm erreicht kein Krämer die Höhen „des Astronauten“. Lenz schreibt zwar „existenziell“, aber nach Kabarett-Art, wie er findet. Wie heiter das klingt, verriet „Maibaum“. Oder: „alt werden, welch ein Spass, ich lieg im Gras, und denk mir was ...“ Verse auf der Kachelwand eben.

„Schreiben Sie weiter“, bat Walter Flegel zum Schluss, denn die ultimative Lyrik-Werkstatt kommt ganz bestimmt in Balde!Gerold Paul

Gerold Paul

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