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© Salzgeber

Von Pommern hinaus in die Welt: Volker Koepps Film „Gehen und Bleiben“ im Forum der Berlinale

Eine Begegnung mit Menschen und Landschaften, die eine Beziehung zu dem 1984 verstorbenen, aus Mecklenburg-Vorpommern stammenden Schriftsteller hatten.

Uwe Johnsons Jerichow ist leider etwas vom Radar der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur verschwunden, dieser fiktive Ort im realen Mecklenburg-Vorpommern. „Jerichow ist umgeben von Weizenfeldern, im Süden hinter dem Bruch ist der Gräfinnenwald, dann fassen übermannshohe Hecken Wiesen ein“, heißt es in Johnsons „Jahrestagen“. „Das Wetter ist das der See. Der meiste Wind ist westlich, vornehmlich im hohen Sommer und Winter. Hier ist es kühl. Hier sind die meisten trüben Tage im Land.“

All das spiegelt sich auch in den manchmal elegischen Bildern von Volker Koepps Film „Gehen und Bleiben“, ob in Anklam, Güstrow oder Goldberg. Koepp hat sich in die Spur von Uwe Johnson begeben, der 1934 in Pommern geboren wurde, in Anklam aufwuchs, in Güstrow zur Schule ging und in Rostock sein Studium begann.

Das Gymnasium in Güstrow

Koepp begegnet Menschen, die hier leben, die mit Johnson sehr entfernt oder gar nicht zu tun hatten, sei es, dass sie dieselbe Schule wie Johnson in Güstrow besuchten, das John-Brinckman-Gymnasium, sei es, dass sie wie die Schriftstellerin Judith Zander direkt in der Straße in Anklam wohnte, in der Johnsons Elternhaus stand. In Berlin trifft er Heinz und Hanna Lehmbäcker, die Johnson noch kannten, weil sie mit ihm zur Schule gegangen waren und in Rostock Anfang der fünfziger Jahre und auch danach Kontakt zu ihm hatten.

Der Titel dient Koepp als schönes Motiv, bei Johnson sowieso, da er literarisch von seiner Heimat nie loskam. Nach dem Grenzübertritt 1959 zog es ihn immer wieder ans Meer, in New York City, im englischen Sherness on Sea, wo er 1984 starb.

Um Gehen, Bleiben und Wiederkommen geht es aber auch bei Koepps Gesprächspartnerinnen und -partnern. Sie sind von ihrer Herkunft, den Orten und Landschaften geprägt; von den Kriegs- und Nachkriegswehen, wie der Filmemacher Hans-Jürgen Syberberg, vom Leben in der DDR und der Wende wie Karin und Hartmut Brosinski. Koepp trifft in Leipzig den Theatermann Thomas Irmer und spricht mit ihm über Johnsons Zeit in der Messestadt; in Berlin erzählt ihm der Leiter des Brecht-Archivs Erdmut Wizisla von Johnsons früher Affinität zu Brecht.

Die Aktualität von Johnson

Uwe Johnson ist die - naturgemäß unsichtbare - Hauptfigur des Films: Trotzdem wirkt manche Begegnung zufällig, erratisch. In den Gesprächen lassen sich Verbindungen oft nur mühsam erschließen, Hinweise in Form von Namensnennungen gibt es keine. Selbst wer das Leben und Werk Johnsons gut kennt, ist manchmal ratlos, zumal Koepp versucht, vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine dessen Aktualität zu betonen. Das wirkt überkonstruiert.

Was bleibt, auch in diesem Film, sind die „Jahrestage“-Schlussworte, das Kind und der Mann „unterwegs an den Ort wo die Toten sind; und sie, das Kind das ich war.“ Und die Erkenntnis, dass es lohnend wäre, sich wieder verstärkt mit dem Werk von Uwe Johnson auseinanderzusetzen.

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