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Kultur: Unschuldig lebenslänglich?

Der Dokumentarfilm „Das Versprechen – Erste Liebe lebenslänglich“ im Thalia

Von Sarah Kugler

Ein Fall, der nach Hollywoodfilme klingt: Der gerade mal 18-jährige Jens Söring lernt im Jahr 1984 die schöne Elizabeth Haysom kennen, verliebt sich in sie – und wird einige Jahre später wegen Mordes an ihren Eltern schuldig gesprochen. Im Fall von Söring handelt es sich allerdings um eine wahre Geschichte, von der der Dokumentarfilm „Das Versprechen – Erste Liebe lebenslänglich“ von Marcus Vetter und Karin Steinberger, die den Film gemeinsam mit Kameramann Georg Zengerling und Produzent Ulf Meyer am Sonntag im Babelsberger Thalia Kino vorstellten, erzählt. Der Film rollt dabei nicht nur den Fall von damals wieder auf, sondern weist auch auf Ungereimtheiten im Prozess hin und lässt Protagonisten erneut zu Wort kommen.

Elizabeth Haysom gesteht sofort nach ihrer Festnahme 1986 die Anstiftung zum Mord an ihren Eltern und wird zu 90 Jahren Haft verurteilt. Die Tat selbst sprach sie Söring zu und gab auch zu, ihre Liebe zu ihm nur vorgetäuscht zu haben. Im Glauben, als Sohn eines Diplomaten und deutscher Staatsbürger mit wenigen Jahren Gefängnis davon zu kommen sowie in der Absicht, seine Freundin vor der Todesstrafe zu schützen, gesteht Söring zunächst den Mord. Später revidiert er seine Aussage. Trotz mangelnder Beweise wird er am 4. September 1990 wegen Mordes zu zweimal lebenslänglich verurteilt.

Karin Steinberger, die als Journalistin für die Süddeutsche Zeitung (SZ) tätig ist, beschäftigt sich bereits seit über zehn Jahren mit dem Fall Jens Söring, wie sie im Thalia erzählte. Im Jahr 2005 bekam sie einen Brief vom Gefängnisseelsorger, besuchte Söring daraufhin, berichtete in der SZ und löste damit eine Berichtkette in der deutschen Presse aus. „Vorher gab es so gut wie nichts über Jens in der deutschen Presse, wir hatten ihn hier vergessen“, so Steinberger. Durch ihren Kontakt nach Amerika war es ihr und Marcus Vetter möglich, ein Interview mit Jens Söring mit der Kamera aufzuzeichnen. „Wir hatten vier Stunden Zeit, die in Ausschnitten letztendlich das Herz des Films geworden sind“, so Steinberger. Neben dem Interview sind die Aufzeichnungen der Prozesse von Haysom und Söring tragende Elemente des Films. In zahlreichen Befragungen wird versucht, die Hintergründe des brutalen Doppelmordes an Nancy und Derek Haysom im Jahr 1985 aufzuklären. Schon dabei fallen Merkwürdigkeiten auf: Einem wahrscheinlichen sexuellen Missbrauch an Elizabeth durch die eigene Mutter wird nicht nachgegangen, der mit der Haysom-Familie bekannte Richter tritt nicht wegen Befangenheit zurück, entlastendes Material zu Gunsten Sörings wird vom Staatsanwalt kein einziges Mal angebracht. „Die Indizienlage war lächerlich“, so Steinberger. Mit einer Wiederaufnahme des Falles sei allerdings erst ab 2018 zu rechnen. Sarah Kugler

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