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Tsitsi Dangarembga,  Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels 2021.

© AFP/DANIEL ROLAND

Tsitsi Dangarembga und der Postkolonialisms: Wunden verbinden

Wie die Schriftstellerin aus Simbabwe über die Versehrtheit und die Heilkraft der Sprache schreibt.

Eine Kolumne von Christiane Peitz

Kann Sprache heilen, können Worte heilen? Die Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga erzählte kürzlich bei einer Vorstellung ihres neuen Essaybandes „Frau und Schwarz“ umgekehrt von der Versehrtheit der Sprache. Sie habe Probleme, fiktive Texte zu schreiben, seit sie in Harare im September, nach einem Schauprozess gegen sie und Julie Barnes, zu einer halbjährigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Wegen angeblichem „Aufruf zur Gewalt“: Die beiden hatten lediglich bei einer Demonstration ein „besseres Simbabwe“ gefordert.

Für Belletristisches müsse sie sich auf ihr Innerstes konzentrieren, so Dangarembga, das falle ihr jetzt schwer. Sie lebt zur Zeit mit einem Harvard-Stipendium im Ausland, aber in ihrer Heimat droht ihr bei jedem ähnlichen Protest die sofortige Haft.

Es geht nicht mehr: Etliche Schriftsteller:innen unterbrechen ihre Arbeit, Autoren aus der Ukraine zum Beispiel wegen des Kriegs. Schreiben setzt Intimität voraus. Mit der Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit ist auch die Freiheit der Fantasie gefährdet.

Zeige deine Wunde: Christoph Schlingensiefs berühmter Satz klingt auch bei Tsitsi Dangarembga an, wenn die Schriftstellerin, Drehbuchautorin, Aktivistin und Festivalorganisatorin in ihrem Buch die Metapher der Wunde aufgreift. „Die erste Wunde von uns allen, die als ,schwarz’ klassifiziert werden, ist das ,Imperium’ “ – sie meint die westlichen Staaten, denen im 19. Jahrhundert 80 Prozent der Erde gehörte. Und sie führt aus, dass es nicht genügt, den eigenen Schmerz lautstark zu beklagen. Es gelte Abstand zu nehmen von denen, die ihn zufügen, „und sich in jemanden zu verwandeln, der nicht mehr verstümmelt werden kann“.

Und man dürfe sich nicht beschwichtigen lassen von denen, die sagen, es werde doch langsam besser, für Frauen, für People of Color, für Menschen im Postkolonialismus, und es gebe jetzt doch auch in Afrika Straßen, Bildung, Krankenhäuser und Medikamente.  

Es wird tatsächlich langsam besser. Aber der Heilungsprozess ist ein aktiver, langwieriger Vorgang. Heilen ist Zusammennähen, Weben, so Dangarembga, auch das Weben von Worten. Es schließt Narben und das seinerseits schmerzhafte Reinigen von Wunden mit ein. Menschenrecht, Menschenunrecht beginnt mit dem Körper.

Jede und jeder von uns hat schon mal welche gehabt: Wunden verbinden. Ein bezeichnender Doppelsinn. Wunden lassen sich besser verbinden, wenn sie nicht so schnell weggeredet werden. Wenn es nicht so schnell heißt: Was wollt ihr eigentlich, wir hören euch jetzt doch zu und lesen eure Bücher. Es kann immer nur ein Anfang sein.

Christiane Peitz schreibt hier alle zwei Wochen über Menschenrechte, Freiheit und Kulturpolitik.

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