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Kultur: „Traumfabrikate“

Das Filmmuseum Potsdam erwarb den Nachlass des Unterhaltungsfilm-Regisseurs Paul Martin

Das Filmmuseum hat soeben einen neuen Nachlass erworben, den des Filmregisseurs Paul Martin. Die Sammlung umfasst zehn Kartons mit unterschiedlichen Materialien. Martins Privatleben ist ab 1922 anhand diverser Unterlagen nachvollziehbar, seine berufliche Laufbahn ab 1929.

Paul Martin (1899-1968) war einer der produktivsten Regisseure des deutschsprachigen Unterhaltungsfilms. Im Nachlass befinden sich unter anderen zahlreiche Dokumente zu seinen Anfängen als Regie-Assistent bei der Ufa in den späten zwanziger Jahren wie auch sein erster Regievertrag aus dem Jahr 1932 für den Film „Der Sieger“, in dem Hans Albers die Hauptrolle spielt.

1933 verlässt Paul Martin gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, die Schauspielerin Lilian Harvey, Deutschland, um bei der Fox in Hollywood zu arbeiten. Privatfotos und Dokumente belegen dieses amerikanische Intermezzo. Während die Harvey in den USA erfolgreich ist, wird Martins einziger US-Film „Orient Express“ ein Flop.

Er geht nach Deutschland zurück, Lilian Harvey folgt ihm. 1935 arbeiten beide wieder gemeinsam in den Babelsberger Ufa-Studios an dem Melodram „Schwarze Rosen“. Zu diesem Film existiert ein umfangreiches Album mit sämtlichen Stand- und Werkfotos, die während Dreharbeiten aufgenommen wurden. Ähnlich hervorragend dokumentiert ist das nächste Martin-Harvey-Filmprojekt „Glückskinder“. Mit dieser temporeichen Komödie aus dem amerikanischen Zeitungsmilieu schreibt das Paar deutsche Filmgeschichte.

Im Jahre 1939 heiratet Paul Martin die Schauspielerin Frauke Lauterbach. Hochzeitsdokumente sowie weitere offizielle Unterlagen, Fotos, private Korrespondenz und Schmalfilme erzählen von der harmonischen, langjährigen Ehe und fruchtbaren beruflichen Zusammenarbeit. Frauke Lauterbach zieht sich vom Schauspielerberuf zurück und arbeitet an den Filmen ihres Mannes als Dialogregisseurin mit.

Da Paul Martins Domäne leichte Unterhaltungsfilme sind, bleibt es ihm in der nationalsozialistischen Zeit erspart, explizit Politisches drehen zu müssen. Dokumente, datiert bis Mitte April 1945, belegen die absurde Produktionsgeschichte der Musikkomödie „Das seltsame Fräulein Sylvia“ mit Ilse Werner. Bei Kriegsende werden die Aufnahmen abgebrochen.

In Westdeutschland und in Österreich kann Paul Martin dann seine Regiekarriere fortsetzen. Er inszeniert „Traumfabrikate“ mit bewährter Routine, hin und wieder mit formaler Brillanz. Seine Stars sind jetzt Sonja Ziemann und Caterina Valente. Unzählige Fotos, Verträge, Geschäftsbriefe, Rechnungen, Gagenquittungen, Lohnstreifen, Einladungen und die Terminkalender der Jahre 1950 bis 1966 spiegeln des Regisseurs Produktivität in dieser Zeit.

Die Sammlung eröffnet die Chance einer intensiven Auseinandersetzung mit dem deutschsprachigen Unterhaltungsfilm. Sie eröffnet einen detailreichen Blick auf die ökonomischen, personellen und politischen Umstände, unter denen Filme in der Weimarer Republik, während der nationalsozialistischen Zeit und im Nachkriegsdeutschland beziehungsweise in Österreich nach 1945 entstanden. kip

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