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Eigener Vergangenheit nachspüren. Die Schriftstellerin Cora Pech.

© A. Klaer

Kultur: Suche nach Antworten

Cora Pech liest aus ihrem Romanmanuskript „Stellungswechsel“ über ihre Potsdamer Kindheit

Die Namen Volker und Hannelore Garzke scheinen in den Archiven des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik nicht zu existieren. Das macht misstrauisch. Für die 48-jährige Potsdamerin Cora Pech waren die Stasi-Unterlagen die letzte Hoffnung, etwas über ihre Eltern zu erfahren. Beide starben 1965, als sie erst drei Jahre alt war.

In ihrem noch unveröffentlichten Romanmanuskript „Stellungswechsel“, das sie am morgigen Freitag im „Caffé 11-Line“ vorstellt, verarbeitet Cora Pech ihre Kindheit in Potsdam. Ihre Heldin Maja ist, wie Cora Pech selbst, eine Waise, die am einen Ende der Hegelallee alleine mit ihrem Großvater aufwuchs. Als Erwachsene erzählt Maja, auch das hat sie mit der Autorin gemeinsam, einem Therapeuten ihre Vergangenheit.

Wer Cora Pech in dem kleinen Büro des Literaturkollegiums in der Charlottenstraße, ganz oben unter der Dachschräge besucht, wo sie ein paar Tage in der Woche Sekretariatsaufgaben erledigt, wird fröhlich begrüßt. Man spürt sofort, dass sie hier gerne arbeitet. Und gleich fängt sie an zu erzählen, dass sie schon seit fünf Jahren an ihrem Traumprojekt, dem Roman, der nächstes Jahr endlich fertig werden soll, arbeitet. Diesmal möchte sie, dass ein Lektor den Text vor der Veröffentlichung liest. Darum wird sie ihn auch einer Agentur anbieten. Denn mit ihrem schon veröffentlichten Band mit erotischen Kurzgeschichten ist sie im Nachhinein an vielen Stellen unzufrieden.

In „Stellungswechsel“ nennt Cora Pech ihr Leben bis zur Wende, sie war damals 27 Jahre alt, ein „ungeborenes Leben“. Das Richtige fing erst an, als sie frei reisen durfte, wohin sie wollte, lesen konnte, was ihr gefiel und Neues entdecken konnte, Yoga zum Beispiel. Wenn Cora Pech heute ihren Wagen zum Shoppen auf dem Parkplatz in der Hegelallee, gegenüber dem alten Stasi-Gebäude parkt, dann verspürt sie immer noch eine Mischung aus Erleichterung und Schadenfreude.

In ihrem Roman stellt sie die Fragen, auf die bis heute niemand eine Antwort gegeben hat: Wie und warum ihr Vater gestorben ist. Bei einem Schichtwechsel während seiner Zeit in der NVA, sei er mit einem Loch in der Schläfe aufgefunden wurden. Warum ihrer Mutter die Nachricht nicht mit Beileid überbracht wurde, sondern sie stattdessen sofort verhört, die Wohnung durchsucht und die junge Frau beobachtet wurde, bis sie sich selbst erhängte. Unter welchen Umständen ihr Onkel nur ein paar Jahre später ertrank. Und warum in den Stasi-Unterlagen nicht ihre Namen auftauchen. Cora Pech vermutet, dass man ihren Eltern Spionage unterstellen wollte, weil ihr Vater, der die DDR gerne verlassen hätte, so hat man ihr erzählt, Militäranlagen fotografiert habe.

Von ihrer Kindheit erzählt sie gefasst, mit ruhiger Stimme „Es geht nicht darum eine Schuldfrage zu klären, es geht darum zu verstehen, was damals passiert ist“. Aber dieses Verschweigen, das ihr immer wieder begegnet, macht Cora Pech Angst. Davor, dass zu vieles nicht aufgearbeitet wird, und dass sich eine Diktatur doch wiederholen könnte. Ihre Stimme wird energisch, wenn sie erzählt, dass sie in Diskussionen statt Antworten nur den Satz „Das war alles nicht so schlimm“ zu hören bekam. „Da müssen wir in unterschiedlichen Welten gelebt haben“, sagt Cora Pech. Ein „Es tut uns leid, was damals passiert ist“, würde ihr etwas von dieser Angst nehmen. Sie hat das Gefühl, dass auch in ihrer eigenen Familie noch Geheimnisse gehütet werden.

Allein mit ihrem Großvater aufzuwachsen war für beide eine Herausforderung. Er war sehr ernst und oft streng. Das Jugendamt sei ständig vorbeigekommen. Er verbat ihr das Lesen, obwohl sie Literatur von Anfang an begeisterte. Davon, dass sie als Zehnjährige in der Schule Aktbilder aus der Zeitschrift „Das Magazin“ tauschte, hatte er natürlich keine Ahnung. „Erst als ich meine Tochter bekommen habe, wurde er ganz anders. Ich habe ihn zum ersten Mal lachen sehen.“ Und während sie davon erzählt, sind da Tränen in ihren Augenwinkeln.

Angefangen mit heimlichen Tagebüchern, schrieb sie als junges Mädchen ihr erstes Liebesgedicht an den Kachelofen. Später entdeckte sie Kurzgeschichten für sich. Ein paar wurden im Jugendmagazin „Neues Leben“ und im „Magazin“ gedruckt. Ihre erotisch kriminalistisch angehauchten Texte fanden auch auf Lesungen Anklang. „Das ging immer gut, es war ja unpolitisch.“ Diese Erzählungen waren auch ein Mittel, sich an verflossenen Liebhabern rächen. Darüber muss sie heute zwar lächeln, aber das Schreiben, damals wie heute, ist Cora Pechs Versuch, Erlebtes zu verarbeiten. Undine Zimmer

Cora Pech liest am morgigen Freitag, 19 Uhr, im „Caffé 11-Line“, Charlottenstraße 119. Der Eintritt ist frei

, ine Zimmer

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