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Kultur: Stets mit kritischem Blick

Der Dokumentarfilmer Peter Rocha ist im Alter von 71 Jahren verstorben

Peter Rocha war Dokumentarfilmer geworden, weil er viel dichter an die Wahrheit herankommen wollte. „Ich denke, wir kamen oft so nah dran, dass wir uns fast verbrannt haben“, sagte Rocha später in dem Buch „Das Prinzip Neugier. Defa-Dokumentarfilmer erzählen“. Insgesamt 21 Dokumentarfilmer geben in dem von Ingrid Poss, Anne Richter und Christiane Müggenberger im Jahr 2012 im Verlag Neues Leben herausgegebenen Buch Auskunft über ihre Arbeit, ihre Ideen und so auch über ihr Leben.

Ende der 60er-Jahre hatte Rocha, der 1942 in Gotha geboren wurde, sein Studium an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Babelsberg abgeschlossen. Zuerst war er noch als freier Regisseur und Autor im Defa-Studio beschäftigt, dann ab 1970 fest angestellt. Und von Anfang an hat Rocha in seinen Filmen mit eigenwilligem und oft auch humorvollem Blick auf den Alltag in der Deutschen Demokratischen Republik geschaut. So porträtierte er 1971 in „Lichtmacher“ drei Frauen aus dem Kombinat Narwa Berlin in ihren jeweiligen Arbeitsbereichen. 1980 folgt mit „Lothar S. - Lokführer“ ein weiteres sensibles Porträt. Vier Jahre später folgte mit „Der Lewerenz - Porträt eines Heizers“ ein fast schon subversiver Blick auf die Werktätigen in der DDR. Hier porträtierte Rocha den Direktor und den Heizer eines Kindernahrungsmittelwerkes bei ihrer täglichen Arbeit. Indem Rocha hier die Arbeiter in ihrem Betrieb zeigte, der von der offiziellen Seite hochgelobt wurde, führte er ohne bloßzustellen ein Produktionssystem vor, das kurz vor dem Zusammenbruch stand. Dass der Dokumentarfilmer mit dieser Sicht- und Herangehensweise bei den Verantwortlichen regelmäßig auf Widerspruch stieß, muss nicht weiter erwähnt werden. Und auch wenn er und seine Mitarbeiter dabei regelmäßig Gefahr liefen, sich zu verbrennen, ließ Peter Rocha nie von dieser kritischen Arbeit ab. Das zeigt am beeindruckendsten immer wieder seine Trilogie über die Umweltzerstörung in der DDR durch den Braunkohletagbau und die damit verbundene Vertreibung von Menschen aus ihren Orten in der Lausitz. Ein Thema, das auch heute noch höchst brisant ist.

Noch zu DDR-Zeiten konnte Peter Rocha mit „Hochwaldmärchen“, „Leben am Fließ“ und „Schmerzen der Lausitz“ seine Trilogie, die den elenden Zustand der Lausitz zeigte, trotz Zensur fertigstellen. Zunächst hatten ihn nächtliche Diskussionen mit dem „singenden Baggerfahrer“ Gerhard Gundermann dazu gebracht, das tabuisierte Thema in ein Märchen zu kleiden. So entstand dann das „Hochwaldmärchen“ im Jahr 1987 als Auftakt der Trilogie und konnte im märchenhaften Gewand an der Zensur vorbeigleiten.

Die beiden anschließenden Filme „Leben am Fließ“ und „Schmerzen der Lausitz“ nutzten dokumentarisch-künstlerische Verfahren mit elegischen Bildern und ausschließlich O-Tönen, um auf die Zustände in der Lausitz aufmerksam zu machen, ohne dabei politisch-ideologisch zu werden. Gerhard Gundermann ist einer der Protagonisten, der nach Rocha auch eine etwas zerrissene Haltung zum Braunkohleabbau einnahm. Einerseits verdiente er, der als Liedermacher nicht existieren durfte, als Baggerfahrer sein Geld, andererseits erkannte er aber, dass dieser Raubbau an Natur und Kultur so nicht weitergehen könne. Sein Haus solle verschont bleiben, wünschte er sich und erzählte, dass er wie eine alte Frau Holz sammele, um damit den Badeofen für seine Kinder anzuheizen.

„Ich habe nie geglaubt, dass Filmemachen so radikal für mich zu Ende geht“, hatte Rocha, der 1991 im Zuge der Auflösung der Defa entlassen wurde, in „Das Prinzip Neugier“ gesagt. Immer noch trug er mit sich die Idee eines letzten Films über die Lausitz. „Ich fand immer, dass der große Lausitz-Film noch fehlt. (...) Ich hatte mich schon mit dem Gedanken getragen, über das, was in den letzten Jahren in der Lausitz passiert ist, einen Film zu machen, aber in ganz persönlich erlebten Geschichten.“ Dieser große Lausitz-Film wird nun für immer fehlen. Am Samstag ist Peter Rocha, der in Tremsdorf lebte, nach langer Krankheit im Alter von 71 Jahren im Klinikum Ernst von Bergmann verstorben. D.B./LoBa

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