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Kultur: Starke Gefühle, große Bilder

Inszenierungen aus Frankfurt und Cottbus beim 6. Brandenburgischen Schultheatertreffen in Potsdam

Sie können kaum erwarten, dass die nächste Vorstellung beginnt. Am zweiten Tag des landesweiten Schultheatertreffens bilden sich jedes Mal große Trauben vor den verschiedenen Spielorten im Hans Otto Theater. Hauptsächlich Jugendliche, die meisten von ihnen sind selbst Akteure in einer der neun eingeladenen Inszenierungen, drängen mit Neugierde in den jeweiligen Zuschauerraum. Am Donnerstagnachmittag wurde der Reigen des insgesamt dreitägigen Programms, zu dem neben Publikumsgesprächen, auch sieben Theaterworkshops und gut besuchte „Nachtcafés“ gehören, mit "Frühlingserwachen" von der Jungen Bühne aus Frankfurt/Oder eröffnet.

Und diese Inszenierung unter der Spielleitung von Frank Radüg hatte es in sich: Starke Gefühle wurden in großen, berührenden Bildern umgesetzt. Das Stück, das Frank Wedekind vor mehr als einhundert Jahren zu Papier brachte und das mehrmals Aufführungsverboten unterworfen war, hatte für die zehn 17- bis 21-jährigen Protagonisten aus Frankfurt/Oder nichts von seiner expressiven Wucht verloren, auch wenn heutzutage jedes Kindergartenkind weiß, dass der Storch nicht die Kinder bringt. Denn die jugendliche Suche nach Lebenssinn und Liebesglück verläuft auch in unserer scheinbar völlig aufgeklärten Zeit nicht ohne emotionale Spannungen und Verletzungen.

Die junge Wendla – sehr präsent Anett Schulze, die erst vor zwei Wochen diese Rolle übernahm – büßt dafür noch mit ihrem Leben. Höhepunkt der einstündigen umjubelten Aufführung sicherlich die mutige und manchen in ihrer Direktheit schockierende Szene mit der „Engelmacherin“. Aber auch die sichtbaren erotischen „Verstrickungen“ von Hänschen Rilow, Moritz Stiefel und Frau Gabor und das überaus originelle „Lehrertribunal“ hatten großes spielerisches und inszenatorisches Potential. Zur atmosphärischen Dichte und Stimmigkeit, unter Vermeidung jeglichen Schwulstes, trugen nicht zuletzt die sehr gestraffte Textfassung und die einfühlsame musikalische Begleitung (Klavier und Percussion) bei. Sehr zu Recht ist diese Inszenierung zum diesjährigen Bundestheatertreffen nach Wolfsburg eingeladen.

Da hatte es die folgende, von den theatralischen Mitteln gänzlich anders geartete Inszenierung von Thomas Braschs sprödem Stück „Mercedes2, gar nicht leicht, die Zuschauer mit seiner besonderen „soziologischen“ Versuchsanordnung zu begeistern. Vor fast einem Vierteljahrhundert geschrieben, thematisiert es, was mit Menschen, denen der Lebenssinn in Form von (Lohn-)arbeit abhanden kommt, geschehen kann. Sind es bei Brasch ursprünglich drei Figuren, die die nun "leere" Zeit anzufüllen suchen, hat sich in der Inszenierung des Cottbuser „Theaters an der Wendeschleife“ ihre Zahl bereits verdoppelt. Diese „Überflüssigen“ führen desillusioniert und unter Beobachtung von „außen“ wortreich das im Osten allgegenwärtige Dilemma vor. Da blieb beim Zuschauer seinerseits Bitternis und Leere zurück.

Am Abend war noch die Aufführung „Die Herzogin von Malfi“ der Potsdamer Schule des 2. Bildungsweges zu erleben. In der ebenfalls mit viel Beifall bedachten Adaption des Stückes von John Webster, eines Zeitgenossen von Shakespeare, lösten die Macht von Informationen und die Manipulation durch moderne Medien ein blutiges Schlachtfest der Rache aus. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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