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Posieren hat keine Zukunft. „Point 660“, Touristen im August 2008 auf einem schmelzenden Gletscher im Süden Grönlands.

© Olaf Otto Becker/olaf otto becker

Schönheit des Schreckens: Olaf Otto Becker fotografiert die Erderwärmung

Wegsehen hilft nicht. Die Fotoausstellung „Signs of Change - Landschaften im Klimawandel“ im Deutschen Technikmuseum zeigt Aufnahmen aus Grönland, Australien und Südostasien.

In der Stadt Tiksi in Nordsibirien spielen die jakutischen Kinder wie in einer Geisterstadt. Der Fotograf Olaf Otto Becker hat ihr in seinem Bildband „Siberian Summer“ eine Serie gewidmet. Menschenleere Straßen, Fabrikruinen, rostige Kähne. Nach dem Ende der Sowjetunion sind Minen und Industrie zusammengebrochen. Doch nun hat der schwer gebeutelte Flecken am äußersten Rand des russischen Reiches wieder Hoffnung, wie der Fotograf schildert. „Tiksi hofft auf den Klimawandel“, sagt er. Genauer auf seine Auferstehung als prosperierende Hafenstadt. In naher Zukunft, wenn die im Zuge der Erderwärmung frei getaute Nordostpassage zwischen Atlantik und Pazifik ganzjährige Schifffahrt im Nordpolarmeer ermöglicht.

Die Ansichten aus Tiksi sind ein Dokument des Verfalls, in dem die Kindergesichter daran gemahnen, dass auch hier Menschen leben, die eine Zukunft suchen. Jene Zukunft, die die ressourcenhungrige menschliche Spezies Mensch seit der Industrialisierung immer mehr gefährdet. Genau das ist, wovon die Fotoausstellung „Signs of Change: Landschaften im Klimawandel“ im Deutschen Technikmuseum erzählt.

Der Fotograf Olaf Otto Becker wurde 1959 geboren.

© Marion Becker

Olaf Otto Becker, der seit mehr als 30 Jahren Landschaften fotografiert, erzählt beim Pressetermin per Videoschalte von diesem Konflikt zwischen Mensch und Natur, der sich mit steigender Weltbevölkerung verschärft. Seine Abwesenheit aufgrund einer Covid-Erkrankung ist gewissermaßen Teil davon: je weniger Wildnis, desto mehr Zoonosen. Fotografisch hat er die Entwicklung nicht nur in seinen Fotografien der Polarregionen festgehalten, der die rechte Ausstellungsseite gewidmet ist.

Auf der linken, grün grundierten, sind die weniger poetisch anzusehenden Folgen zu sehen. Ein flammendes Diptychon zeigt Waldbrände in Australien. Daneben dokumentiert ein gerodeter Urwald in Indonesien vom Landhunger der Palmölindustrie. Entlarvender als diese auch aus den Nachrichten bekannten Motive wirken jedoch Großformate, die Olaf Otto Becker in Singapur aufgenommen hat.

Natur als Wohlfühlkulisse in Städten

Auf einer künstlichen, mit massenhaft Sand aus Indonesien angelegten Insel vor der Stadt täuschen Gebilde aus Pflanzen und Stahl Bäume vor. Die Natur in die Stadt zu holen, sei ein großes Thema in Singapur, das im großen Stil Gebäude begrüne, sagt Becker. „Nur müssen die Pflanzen ständig ausgetauscht werden, weil sie in dem Klima nicht gedeihen.“ Natur als Wohlfühlkulisse zu simulieren, hat natürliche Grenzen.

„Muostakh 02“, der auftauende Permafrostboden am Buor-Khaya-Golf in Nordsibirien schafft bizarre Skulpturen.

© olaf otto becker

Den Klimawandel als Thema hat Becker entdeckt, nachdem er 1999 und 2002 denselben Gletscher auf Island fotografierte und deutliche Veränderungen feststellte. Die grönländische Westküste hat er mit seiner Plattenkamera im Schlauchboot abgefahren und sich die 570 Kilometer des schmelzenden Festland-Eisschildes erwandert. Und dabei Motive von schrecklicher Schönheit gesammelt: Gletscherflüsse, deren türkis leuchtendes Wasser sich Kilometer um Kilometer durch die schrundige Eisdecke schlängeln. In der Sonne rosa aufglühende Eisberge, die sich im Polarmeer spiegeln. Der in eine braune Ödnis eingebettete, kristalline Eismassen auswerfende Gletscher bei Ilulissat, dessen Fließgeschwindigkeit sich innerhalb von 20 Jahren von 25 auf 50 Meter pro Tag beschleunigt hat.

Sich dem Zauber dieser abstrakten Welt hinzugeben, deren Poesie nach der Lesart dieser Bilder jetzt im Verschwinden liegt, ist angesichts der Verdunkelung der weißen Pracht unmöglich. Wenn das Eis schmilzt, bleiben feste Partikel zurück, die durch die Luft transportiert werden: Kohlenstaub, Sand, Pflanzenteile. Sie absorbieren Sonnenlicht, was wiederum zu einer stärkeren Schmelze führt. Ein Teufelskreis, der als ästhetisches Phänomen reizvolle Kontraste auf das Eis zeichnet.

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