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Kultur: Schönheit ist wie Chips

„Blind und Hässlich“ von Tom Lass im Thalia

Wenn jemand gut aussieht, dann ist das so ähnlich wie wenn etwas gut schmeckt. Wie etwa Chips. So versucht es Jona ihrer Cousine Cecile in dem Film „Blind und Hässlich“ zu erklären. Denn Cecile ist blind und kann mit dem Begriff Aussehen nicht viel anfangen. Im Laufe des Films wird deutlich: Im Prinzip kommt es darauf sowieso nicht an. „Blind und Hässlich“ ist der aktuelle Film von Regisseur Tom Lass, der darin auch eine der Hauptrollen verkörpert. Am Dienstagabend stellte er ihn im Thalia-Kino vor.

Schon lange habe er einen Film über das Blindsein machen wollen, erzählte er. Ursprünglich sei dabei die Idee gewesen, die Geschichte einer blinden Frau zu erzählen, die so tut, als könne sie sehen. „Das stellte sich als schwierig heraus, deswegen haben wir es andersherum gemacht“, so Lass. Und so erzählt der Film von Jona (Naomi Achternbusch), die nach einem Streit mit ihrer Mutter von zu Hause wegrennt und bei ihrer blinden Cousine in Berlin unterschlüpft. Als in deren Wohnheim eine Wohnung frei wird, tut Jona so, als sei sie ebenfalls blind. Bald darauf trifft sie auf Ferdi (Tom Lass), einen zurückhaltenden jungen Mann ohne Selbstwertgefühl und mit enormen Bindungsängsten. Jona gegenüber kann er sich jedoch – in der Annahme, sie könne ihn nicht sehen – öffnen. Diese findet ihn süß. Mit diesem Lächeln, bei dem die Zähne etwas vorstehen, mit seiner unbeholfenen Art. Und so entsteht eine zarte Romanze zwischen den beiden, über der jedoch immer Jonas Schwindelei schwebt.

Es sind sehr eigene, beinahe schrullige Figuren, die Lass in seinem Film aufeinandertreffen lässt. Genau das gibt ihm seinen ganz eigenen Charme. Diesem Film, der sich nicht so richtig einem Genre zuordnen lassen möchte. „ Ich finde es persönlich blöd, etwa eine reine Komödie zu machen, nur um der Lacher willen“, so Lass am Dienstag. Und so ist „Blind und Hässlich“ irgendetwas zwischen Romanze, Drama und Komödie geworden. Vollgepackt mit Situationskomik, die wie alle Szenen aus der Improvisation heraus entstanden sind. Manchmal seien sie dabei auch über die Stränge geschlagen, erzählt Lass. Etwa in einer Szene mit zwei Polizisten (herrlich: Axel Ranisch und Karin Hanczewski), in der plötzlich eine Waffe gezogen wird. Die sei nicht echt gewesen, erklärte Lass: „Aber wir hatten keine Drehgenehmigung, waren da neben einer großen Straße und ich dachte nur: ,Was machen wir hier eigentlich?’“ Viele Szenen, an denen er beim Dreh zweifelte, seien dann aber die besten gewesen.

Das liegt nicht zuletzt an den Darstellern, die ihre improvisierten Dialoge und Szenen gekonnt authentisch spielen. Neben der wunderbaren Naomi Achternbusch und Lass selbst, deren Filmromanze eine der schönsten des bisherigen Jahres ist, brilliert vor allem Clara Schramm. Sie spielt Jonas’ Cousine und tatsächlich blind. Aus dem Internet hat die heute 18-jährige Potsdamerin von der Rolle erfahren, bewarb sich und überzeugte. „Das war pures Glück“, sagte sie im Thalia-Kino, in das sie ihre eigene Fangemeinde mitbrachte. Mit Kollegin Naomi Achternbusch habe sie sich sofort verstanden – dass sie ihr etwas beigebracht haben soll, wies sie jedoch bescheiden von sich. „Na klar hast du ihr geholfen“, betonte Lass am Dienstag. „Du hast ihr gezeigt, wie du ein Handy bedienst und noch vieles andere.“ Das sei schon richtig, aber auch nichts Besonderes, erwiderte Clara da und lächelte dieses Lächeln, das auch in „Blind und Hässlich“ bezaubert. Auch ihre Figur verliebt sich in dem Film. Unglücklich allerdings, sie bleibt am Ende allein. Schramm sieht darin jedoch kein Drama: „Warum sollte Cecile mit dem Blödmann zusammen sein“, sagte sie am Dienstag. „Ich glaube nicht, dass sie zum Schluss unglücklich ist.“ Ihre offene, ehrliche Art ist es, die dem Film in seiner herrlich warmen Schrulligkeit den letzten Schliff gibt. Gutes Aussehen wird hier nebensächlich. S. Kugler

S. Kugler

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