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Feurig. Chefdirigent Antonello Manacorda leitete das Auftaktkonzert.

© Sebastian Gabsch

Saisonauftakt Kammerakademie Potsdam: Leuchtend wie Kirchenfenster

Auch die Kammerakademie Potsdam startet schillernd in die Saison.

Ganz ohne weihevolle Worte ging es am Freitagabend im Nikolaisaal nicht. Gemeinsam betraten Andrea Palent und Alexander Hollensteiner die Bühne, um die Saison zu eröffnen – zugleich ein Finale für die scheidende Chefin. Nach neunzehn Jahren im Dienst für die „Firma“, wie sie sagte, kommt mit Michael Dühn eine neue künstlerische Leitung in das Potsdamer Konzerthaus. Seit vier Jahren erst repräsentiert Alexander Hollensteiner, der sich artig bedankte und alle zum Feiern mit eigens kreiertem Cocktail einlud, die Kammerakademie Potsdam.

Viel Bekanntes beim Eröffnungskonzert

Dass beim Eröffnungskonzert mit dem verlockenden Titel „Große Sommernacht“ im Saal doch einige Lücken klafften, mag am Programm gelegen haben. Es war nicht wirklich eines des „Übergangs“, wie das Jahresmotto der Kammerakademie lautet, sondern bestand zur Hälfte aus einer Wiederholung. Wirklich neu für Potsdam waren nur die sechs Orchesterlieder von Hector Berlioz „Les nuits d’été“. Mit Franz Schuberts großer C-Dur-Sinfonie gab Chefdirigent Antonello Manacorda schon seinen Einstand bei der Kammerakademie im Oktober 2010. Sein besonderes Engagement für diesen Komponisten gipfelte in der Einspielung aller Schubert-Sinfonien.

Mezzosopranistin Anna Bonitatibus überzeugt

Berlioz’ schwergewichtige Orchesterlieder „Les nuits d’été“ liegen eigentlich außerhalb der Dimensionen der kammerakademischen Besetzung. Doch im Zusammenwirken von Musikern und Mezzosopranistin Anna Bonitatibus gelingt das Wagnis. Mit dunkel timbrierter, funkelnder Stimme und flackerndem Vibrato verleiht Bonitatibus den schwelgerischen Stücken fein ziselierten Ausdruck.

Wie Kirchenfenster leuchten die Lieder nach Gedichten von Théophile Gautier in bunten Edelsteinfarben. Den Geist der Rose hauchen sordinierte Celli und Flöten bis hin zur ekstatischen Eruption im Paradies. Als elegisches Miniaturdrama erweist sich auch das todessüchtige Lagunen-Lamento mit Anklängen an Berlioz’ Requiem. Still steht die Zeit im Lied Absence, das mit viel Stilgefühl für subtile Nuancen und Pausen zelebriert wird. Feine Silberfäden der Violine ziehen durch die dunkle Friedhofsnacht. Das typisch französische Sujet der verzauberten Liebesinsel, einst eine heitere Utopie, erscheint in der „L’île inconnue“ im exotisch parfümierten Gewand der Vergeblichkeit. Bravos und begeisterter Applaus belohnen Anna Bonitatibus für ihre überzeugende Darbietung.

Die Musiker geben alles

Mit voller Kraft stürzen sich die Musiker in Franz Schuberts Große C-Dur-Sinfonie, deren „himmlische Länge in anmutiger, neu verschlungener Form“ einst schon Robert Schumann lobte. Nach einem leicht wackligen Hornsignal zu Beginn geht das Andante übergangslos, beinahe beliebig ins Allegro über, das mit zackigen Explosionen und energischer Rhythmik Schuberts Vorbild Beethoven wiederbelebt. Das Andante schreitet reichlich schnell voran, blitzende Aufstriche, präzise Pizzicati und Paukendonner simulieren munteren Jubel. Über dem Trubel erhebt eine fantastische Oboe (Jan Böttcher) ihre Stimme wie ein einsamer Sänger, der immer wieder auf idyllischen Inseln einkehrt, um dort milde Ruhe zu finden – was auch in den transparent und zart ausgespielten Episoden gelingt.

Das Scherzo ist als große Jahrmarktszene – vielleicht auf dem Wiener Prater – angelegt, einladend drehen sich die Karusselle, süffig schwingt das Trio in irdischer Glückseligkeit. Die Musiker folgen Maestro Manacorda mit ungeteilter Aufmerksamkeit und geben alles. Hitzige Fieberkurven, Jubelfanfaren, stampfende Tanzlust und entfesselter Taumel erklingen im vierten Satz bis hin zum triumphierenden Finale von Schuberts ambitionierter Großer Sinfonie.

Babette Kaiserkern

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