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Entführt? Von wegen. Günter Jauch geht es gut.

© dpa

Roman über die Entführung von Günther Jauch: Was für ein Unfug

Christian Ritters Romandebüt „Die sanfte Entführung des Potsdamer Strumpfträgers“ hält nicht, was es verspricht. Am Ende bleibt nur resignierendes Kopfschütteln.

Günther Jauch ist entführt worden. Verschleppt und nun gefangen gehalten. Irgendwo an einem unbekannten Ort. Die Potsdamer Bürger wären wohl geschockt von der Nachricht, dass ihr Aushänge-Promi zum Opfer eines perfiden Entführungsplans geworden ist. Gerade jetzt, wo doch in Potsdam darüber diskutiert wird, ob Günther Jauch für sein Engagement für den Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses mit einer Stele gewürdigt werden soll. Gott sei Dank, würden einige ausrufen, wenn sie erfahren, dass diese Entführungsgeschichte einzig in der Fantasie eines Autors stattgefunden hat. Oh mein Gott, würden jene noch viel lauter rufen, die sich tatsächlich durch den Roman „Die sanfte Entführung des Potsdamer Strumpfträgers“ von Autor Christian Ritter gekämpft haben.

Hauptfigur dieses 270 Seiten langen Schmökers ist jedoch nicht die schillernde Gestalt Günther Jauch, sondern Paul Wildensorg. Dieser Paul Wildensorg ist ein unauffälliger Mann und arbeitet in einem kleinen Dorf-Supermarkt. Zwischen dem täglichen Plausch mit seinen Kundinnen und dem Leben auf einem alten, abgeschiedenen Bauernhof passiert nicht viel in seinem Leben. Als leidenschaftlicher „Wer wird Millionär“-Zuschauer jagt er einzig mit Feuereifer seinem größten Ziel hinterher: Kandidat bei Günther Jauch zu werden. Seit Jahren bereitet er sich akribisch darauf vor, beim Mitraten vor dem Fernseher kennt er stets jede Antwort. Und tatsächlich kommt der erlösende Anruf. Doch vor laufender Kamera ist all das Wissen wie weggeblasen. Ohne auch nur die Chance auf den Gewinn eines einzigen Cents endet der Ausflug von Paul Wildensorg zu „Wer wird Millionär“. Alles scheint verloren. Aber anstatt sein Schicksal zu beklagen, entschließt sich Paul, gemeinsam mit seinem Mitbewohner Herr Müller und dessen Freundin Katja Günther Jauch zu entführen und so die Millionen über das Lösegeld einzuheimsen. Ein Plan wird geschmiedet, alle Vorbereitungen getroffen und es scheint zu gelingen. Doch als Günther Jauch aus seiner Betäubung auf Wildensorgs Wohnzimmercouch erwacht und die Augen öffnet, verändert sich die Situation für das sanfte Entführer-Trio schlagartig. Hatten die Drei geglaubt, mit der Entführung sei ihnen eine ganz besonderer Coup gelungen, winkt Jauch nur genervt ab und sagt: „Nicht schon wieder.“ Keine Spur von Panik bei dem Fernsehmoderator. Ganz gelassen und kooperativ fügt er sich in seine Situation und sitzt dann auch schon mal Eistee trinkend im Garten seiner Entführer.

Mit „Die sanfte Entführung des Potsdamer Strumpfträgers“ ist Autor Christian Ritter leider nur ein wenig unterhaltsames Stück Literatur gelungen. Mit einem schlecht gezielten Wurf schleudert er seinen Leser mitten in das Leben von Paul Wildensorg. Das ist zunächst kein übler Versuch, das Publikum direkt in die Geschichte hineinzuziehen. So leichtfüßig das Lesen der ersten Seiten dann auch vonstattengeht, wird es mit jedem Umblättern schwieriger, der trägen Geschichte genügend Aufmerksamkeit zu schenken. Auch einem guten Autor können ganz einfach die Mittel ausgehen, einem langweiligen Leben ein wenig Spannung einzuhauchen. Mit der Spannung in der Geschichte, also der Entführung Herrn Jauchs, schleicht sich dann allerdings auch die Absurdität zwischen die Buchrücken und man weiß nicht, ob man lieber vor lauter Unsinn auflachen oder lieber resigniert den Kopf schütteln soll.

Mit jeder neuen Seite, mit jedem neuen Satz ist die Hoffnung verbunden, dass es eigentlich kaum noch schlimmer werden kann. Und doch wird man immer wieder eines Besseren belehrt. Aber nicht nur die ganze Geschichte hat so seine Schwächen. Auch die Art des Schreibens, mit der der Autor seine Leser wohl vergnügen möchte, verleitet doch eher dazu, genervt über den plumpen Ton das Buch für einige Minuten aus der Hand zu legen. Viel zu wenig lässt Christian Ritter literarischen Witz durchblitzen, von viel zu seltenen und doch genialen Wortspielereien wird der Leser dann fast so überrascht, dass er sie kaum noch zu würdigen vermag. Die Erwartungshaltung an ein Buch eines erfahrenen Poetry-Slammers ist doch um einiges höher.

Wirklich schade ist es einem dann um die Zeit, die es gekostet hat, sich durch die 270 Seiten zu arbeiten. Vergnügliche Stunden sehen anders aus. Angst um ihr prominentestes Aushängeschild brauchen die Potsdamer also nicht zu haben. Nur entsetzt sollten sie darüber sein, dass der Name ihrer Stadt mit solch literarischem Unfug in Verbindung gebracht wird. Bleibt nur zu hoffen, dass „Die sanfte Entführung des Potsdamer Strumpfträgers“ (Heyne Verlag, 8,99 Euro) ganz schnell in den hinteren Reihen der Bücherregale in Vergessenheit gerät.

Chantal Willers

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