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Kultur: Reiseführer: Jüdisches im Grünen

Geschichte lässt sich förmlich mit Händen greifen, wenn man mit offenen Augen durch die Gegend geht. Auch jüdische, obwohl die Nazis ab 1938 alles versucht haben, sie aus dem Antlitz von Städten und Dörfern zu tilgen.

Geschichte lässt sich förmlich mit Händen greifen, wenn man mit offenen Augen durch die Gegend geht. Auch jüdische, obwohl die Nazis ab 1938 alles versucht haben, sie aus dem Antlitz von Städten und Dörfern zu tilgen. Nicht erst seit dem 13. Jahrhundert haben sich Juden in der Mark Brandenburg niedergelassen, doch aus dieser Zeit stammen die ersten steinernen Zeitzeugen. Seit dem 17. Jahrhundert gibt es hierzulande kontinuierliches jüdisches Leben und trotz aller Anfeindungen konnte sich in Deutschland nirgendwo das assimilierte Judentum so entfalten wie in Preußen. Judith Kessler und Lara Dämmig veröffentlichten im vergangenen Jahr den Reiseführer „Jüdisches im Grünen“, der 21 Ausflugsziele in der Umgebung von Berlin und Potsdam anschaulich beschreibt und reich bebildert. „Nicht nur Friedhöfe“, so sagten beide während der Buchpräsentation am Mittwoch, in der Reihe „Streifzüge durch die Brandenburgisch-Preußische Geschichte“ der Stadt- und Landesbibliothek, wollten sie darin in aufnehmen, sondern vielfältige Spuren jüdischen Lebens im Land Brandenburg dokumentieren.

So wird der Leser sachkundig u.a. zu den antijudaistischen Darstellungen in der Maria-Magdalena-Kirche von Eberswalde, in die ehemalige von Erich Mendelsohn erbaute Hutfabrik Herrmann in Luckenwalde oder in ein rituelles Tauchbad in Schwedt begleitet. Vielfach überformte, aber auch heute noch erkennbare Zeugnisse einstigen jüdischen Lebens finden sich auch im mittelalterlichen Judenhof in Perleberg oder in der früheren Synagoge von Groß Neuendorf im Oderbruch. Jüdische Architektur und Lebensart werden nachvollziehbar in der Messingwerksiedlung in Eberswalde oder dem Wassersportmuseum von Grünau. Den Autorinnen suchten vor allem die Orte auf, die auch heute noch sehenswert sind.

Der gut lesbare Wegweiser im praktischen Taschenbuchformat – das macht die Mehrzahl der Bilder leider jedoch relativ klein - lässt darüber hinaus auch andere Sehenswürdigkeiten nicht links am Wegesrand liegen sondern bezieht sie mit ein. Das ist nicht nur als Entgegenkommen an den heutigen Reisenden zu verstehen. Sondern es zeigt vor allem das Jahrhunderte lange Nebeneinander von jüdischer und christlicher Kultur. Ihre wechselseitige Beeinflussung, aber auch immer wieder deutlich die Bestrebungen, Juden zu verunglimpfen, zu verfolgen oder zu vertreiben. So berichteten die Autorinnen, dass sie bei ihren Recherchen vor Ort vielfach auf die Unterstützung von geschichtsinteressierten Bürgern oder privaten Initiativen zurückgreifen konnten. Aber sie mussten auch zur Kenntnis nehmen, „dass es in Brandenburg nicht einen jüdischen Friedhof gibt, der in den letzten Jahren nicht geschändet wurde.“

Deutlich wird in dem engagierten Buch auch, dass zu DDR-Zeiten nahezu nichts dafür getan wurde, jüdische Vergangenheit lebendig zu halten. Dass im Gegenteil viele Gebäude, ohne auf deren Geschichte hinzuweisen, zweckentfremdet oder überbaut wurden. Dagegen ist es umso erfreulicher, dass zum Beispiel der kleine jüdische Friedhof von Groß Neuendorf, der sich im Gegensatz zu den meisten anderen mitten im Dorf befindet, auf Initiative des örtlichen Landfrauenvereins nach der Wende liebevoll wieder hergerichtet wurde. Der Reiseführer trägt durch seine knappen und dennoch informativen Kapitel über „Juden in Brandenburg“ und „Symbole auf jüdischen Grabsteinen“ dazu bei, jüdische Lebensweise und Kultur für einen breiten Leserkreis plastisch werden zu lassen und lädt auf eine spannende Reise in unsere gemeinsame Vergangenheit ein.Astrid Priebs-Tröger

Judith Kessler/Lara Dämmig: Jüdisches im Grünen. Ausflugsziele im Berliner Umland, erschienen bei Hentrich & Hentrich, 19.90 Euro

Astrid Priebs-Tröger

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