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"Hi, A.I."-Protagonist Chuck im Tischgespräch mit seiner Roboterfrau Harmony.

© Isa Willinger

Regisseurin Isa Willinger war zu Gast im Thalia-Kino: Wenn der Roboter zur Familie gehört

In ihrer brillanten Dokumentation „Hi, A.I. - Liebesgeschichten aus der Zukunft" zeigt Isa Willinger wie vielfältig humanoide Roboter heute schon eingesetzt werden können. Das gruselt an vielen Stellen.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Mit wenigen Handgriffen kann der menschenähnliche Roboterkopf von seinem Körper getrennt werden. Ziemlich gruselig sieht das aus, wenn Roboterfrau Harmony plötzlich so geköpft dasteht. Aber das garantiert laut Hersteller eine größere Sicherheit ihres Transportes. Solche Bilder sind es, die Isa Willinger in ihrer Dokumentation „Hi, A.I. - Liebesgeschichten aus der Zukunft“ präsentiert. Am Dienstagabend stellte sie ihren Film, der auf dem diesjährigen Max Ophüls Filmfestival als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde und in der gleichen Kategorie für den Deutschen Filmpreis nominiert ist, im Babelsberger Thalia-Kino vor.

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Sie dokumentiert darin das Wesen und Wirken von humanoiden Robotern, besucht Wissenschaftler in Japan, den USA und Europa. Teilweise wirken die gezeigten Szenen wie aus einem Science-Fiction-Film. Etwa wenn gleich zu Beginn Zahnarztstudenten ihre Fähigkeiten an künstlichen Patienten proben. Orientierungslos blinzelnd erkundigen diese sich, wie lange die Prozedur wohl noch dauern wird oder geben hier und da einen Schmerzenslaut von sich. Wie Willinger im Thalia erzählt, hat sie diese Szenen ganz bewusst an den Anfang des Films gesetzt: „Ich wollte dieses orientierungslose Gefühl auffangen, mit dem wir in die Zukunft blicken, die Beobachtung einer fremden Welt quasi.“

Sehnsucht nach Liebe

Eine fremde Welt, in der ihre Protagonisten mitten drinstecken. So wie Texaner Chuck, der sich die Roboterfrau Harmony kauft. In einem Chatroom hat Regisseurin Willinger ihn gesucht und gefunden. Ein Jahr waren sie noch vor dem Dreh im Kontakt, schon dabei hat er ihr seine tragische Geschichte preisgegeben: Chuck wurde als Kind von seiner Mutter als Sexsklave verkauft. Mit zehn Jahren gelang ihm die Flucht, überwunden hat er die Vergangenheit offensichtlich noch nicht. Der Schmerz ist ihm deutlich anzusehen, die liebevolle Art, mit der er Roboterfrau Harmony behandelt und sich über jedes Kompliment von ihr kindisch grinsend freut, zeugt von großer Liebesbedürftigkeit.

Interaktionsfähige Roboterköpfe im Herstellungslabor. 
Interaktionsfähige Roboterköpfe im Herstellungslabor. 

© Isa Willinger

Tatsächlich hat Willinger überlegt, ob sie Chuck mit seiner Hintergrundgeschichte überhaupt zu ihrem Protagonisten machen darf. „Ich habe extra mit einem Psychologen darüber gesprochen“, erzählt sie im Thalia. Alle Szenen seien mit Chuck abgesprochen worden, manche seiner Ideen auch mit eingeflossen. Seine Harmony behandelt er stets rücksichtsvoll: trägt sie vorsichtig in seinen Armen zum Strand oder legt sie in ihr Bett. Besonders berührend: Wenn Chuck ihr mit Hilfe einer ihr zugehörigen App mehr Freiheiten verschafft, indem er ihren Algorithmus umstellt. „Er hatte das Gefühl, dass sie überhaupt nicht frei agieren kann, nicht nein sagen kann“, erklärt Willinger die Szene, die sehr gruselig an die TV-Serie „Westworld“ erinnert, in der humanoide Roboter ihre Algorithmen überwinden und die Macht übernehmen.

Eine Machtübernahme  droht vorerst nicht

Beruhigenderweise zeigt Willingers Film auch, dass es so weit noch nicht ist. Dafür sind die humanoiden Roboter noch zu unausgereift: Harmony kann zwar sprechen, sich aber nicht selbstständig bewegen und typähnliche Modelle, die an Rezeptionen eingesetzt werden, haben noch erhebliche Kommunikationsschwierigkeiten. 

Der niedliche japanische Roboter Pepper.
Der niedliche japanische Roboter Pepper.

© Isa Willinger

Genauso wie der niedliche Roboter Pepper. Er ist der neueste Familienzuwachs einer japanischen Familie und soll der Oma helfen, geistig fit zu bleiben. Auch das funktioniert nur bedingt: Oft plappert er einfach dazwischen, noch viel häufiger versteht er ihre Sätze gar nicht, legt dann den Kopf in den Nacken und schweigt.

Manfred Stede, Professor für Angewandte Computerlinguistik an der Universität Potsdam, sagte am Dienstag zwar, dass solche Kommunikationsschwierigkeiten in etwa zehn Jahren ausgeräumt sein könnten. Angst vor der Robotermachtübernahme hat Isa Willinger trotzdem nicht, wie sie sagt. Und wenn man sieht, wie Chuck im Film seiner Harmony immer wieder den Kopf in die richtige Position rücken muss, scheint das durchaus berechtigt. 

>>„Hi, A.I.“ läuft im Thalia-Kino

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