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Rechenzentrum Potsdam: Wie geht es weiter mit den Kreativen?

Zwischen auslaufenden Mietverträgen und Barberini-Effekt: Kulturschaffende vom Rechenzentrum diskutierten die Optionen, die sich nach den drei Szenario-Workshops für das Kreativzentrum nun auftun. Ein „Kosmos-Büro“ soll dabei helfen.

Potsdam - Ein Blick aus der vierten Etage des Rechenzentrums lässt erahnen, wohin sich der „Kosmos“ entwickeln könnte. Bis zur Rückseite des Kutschstalls sind freie Flächen zu sehen, die auch mit einer lebendigen Kreativwirtschaft gefüllt werden sollen. Vom „Barberini-Effekt“ ist die Rede, von ungeahnten Möglichkeiten. Wie die aussehen könnten, umrissen zehn Künstler und Kreativschaffende am Donnerstag bei einem Pressegespräch mit der Überschrift „Wie geht es nach dem Szenario-Workshop weiter?“.

Das Kuratorium der Stiftung Garnisonkirche hat Anfang März einer Nutzung des Rechenzentrums als Kunsthaus zugestimmt – allerdings nur noch für maximal zwei Jahre. Trotz dieses Beschlusses, den der Bildhauer Stefan Pietryga „eine Unverschämtheit“ nennt, lassen sich die Kreativen im Rechenzentrum ihre Visionen nicht nehmen. Nicht jetzt, nach den vielen zähen Sitzungen, in denen sie sich auch untereinander annäherten. „Dieses Kuratorium gefährdet die Existenz der Leute, die hier arbeiten“, sagt Pietryga. 260 sind es inzwischen. Der Beschluss des Stiftungskuratoriums ist sicher auch als Mittel zu verstehen, um die Stadt unter Druck zu setzen, mit der Planung für eine neue Bebauung zu beginnen. Die Stiftung möchte sich auf ihrem Grundstück die Option offenhalten, nach dem Turm auch das Kirchenschiff zu errichten.

„Die Architektur blieb außen vor“

In drei Workshops war es seit Januar hinter verschlossenen Türen gemeinsam mit Vertretern der Politik und der Stiftung Garnisonkirche um die Zukunft der Kreativwirtschaft in Potsdams Mitte gegangen. „Die erhoffte Planungssicherheit bis 2023 steht für uns wieder in den Sternen. Unsere Mietverträge enden im August 2018. Was sollen wir aber mit dem Workshop-Szenario über 2023 hinaus ohne jetzige Sicherheit?“ Fragen, die die Kreativen umtreiben. „Wir führen die Diskussion weiter“, sagt Architekt Joos van den Dool, einer der Nutzer des Rechenzentrums.

20 000 Quadratmeter groß ist das Areal zu Füßen des Rechenzentrums. Hier sollen Wohnungen entstehen, Gewerbe und Gastronomie. Etwa die Hälfte soll an die Kreativszene gehen. Das war Konsens. Ob das Rechenzentrum dabei sein wird oder aber Neubauten bevorzugt werden, das war nicht Inhalt der bisherigen Gespräche. „Die Architektur blieb außen vor“, sagt van den Dool. „Um planerische Weichenstellungen mit der Stadt zu treffen, geht es jetzt darum, den Bedarf genau abzufragen.“ Im Mai gibt es den nächsten Workshop: dann öffentlich. Der soll auch der Beschlussvorlage zur Stadtverordnetenversammlung im Juni dienen.

"Das Rechenzentrum ist ein klasse Ort!“

Gleich nach Ostern öffnet das „Kosmos-Büro“, ein Ort, an dem ein Kernteam aus fünf Mitstreitern des Rechenzentrums die Verhandlungen mit der Stadt führt. Stefan Pietryga als einer der „Büroarbeiter“ baut dafür ein Kubatur-Modell mit der bestehenden Bebauung und den Freiflächen zwischen Rechenzentrum, Plantage und Kutschstall. Wie in einer „Bauhütte“ soll es zugehen. Alle Planungsschritte und Veränderungen werden dokumentiert und können von der Öffentlichkeit mitverfolgt werden.

Pietryga ist seit Anfang an im Rechenzentrum dabei. „20 Jahre lebe ich jetzt in Potsdam, 18 Jahre davon arbeitete ich auf Hermannswerder. Dort hatte ich in der ganzen Zeit nicht annähernd so viel Besucher wie hier in einer Woche. Das Rechenzentrum ist ein klasse Ort!“ Ein Ort, für den sie miteinander kämpfen.

Die Partner wohnen nebenan

Zehn Veranstaltungen gab es zur Vor- und Nachbereitung der Workshops. Und schon davor trafen sich die Kreativen sechs Mal, um nach stundenlangen Diskussionen ihre zehn Delegierten zu benennen. Alle Sparten galt es abzudecken. Mit dabei war Kristina Tschesch, die freie Filmemacherin, die seit einem Jahr im Haus arbeitet und begeistert ist, wie sich auf einmal Türen zu größeren Projekten öffnen, weil die Partner nebenan wohnen. Und auch Christian Näthe, der Schauspieler und Sänger der Band Hasenscheiße, warf seinen Hut für die Musiker, den vielen Heimatlosen, in den Ring, „um zu schauen, ob auch für sie ein Plätzchen in Potsdams Mitte abfällt“. Denn das Rechenzentrum versteht sich nicht als geschlossener Raum. Auch die, die noch rein wollen, sollten bei den Gesprächen dabei sein. Und wenn man auf den zweiten Riegel des Rechenzentrums schaut, den Serverraum, der Ende des Jahres frei wird, könnte man sich dort sehr gut Probenräume vorstellen. Wenn das Haus stehen bleiben darf.

Christian Näthe erzählt, dass er immer wieder gefragt werde: „Warum seid Ihr überhaupt zum Workshop hingegangen? Die benutzen euch bloß. Ihr seid nur Strohpuppen.“ Und er erinnert sich, wie er sich nach dem ersten Workshop ganz merkwürdig gefühlt habe. „Es hörte sich alles so phrasenhaft und abstrakt an, mit einem weiten Feld für Interpretationen. Und dieser Prozess setzte sich fort.“

Kreativwirtschaft mitten drin

Das schwammige Ergebnis wollen sie nun konkretisieren. „Unser Kosmos-Büro ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg“, sagt Joos van den Dool. Bis zum 11. April wird das Workshopergebnis als Mitteilungsvorlage an die Stadtverordneten vorgestellt. „Daran wird jetzt gefeilt. Die Prämissen haben sich definitiv verändert, auch wenn sie als Endlos-Diskussion wahrgenommen werden.“ Stefan Pietryga nennt seine Vision „Kulturforum Potsdam“: ein Quartier der Museen, von der Langen Brücke über den Alten Markt mit dem Museum Barberini, dem Potsdam Museum und der Nikolaikirche über das Filmmuseum zum Neuen Markt mit dem Kutschstall – bis hin zum Militärwaisenhaus und Naturkundemuseum. Und die Kreativwirtschaft mitten drin. Ein Gegenpol zur Schiffbauergasse könnte dieses Kulturforum werden, sagt er. Mit „Barberini-Effekt“.

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Jeden ersten Donnerstag im Monat gibt es Führungen durch das Rechenzentrum. Die nächste Führung findet am Donnerstag, den 5. April, um 18 Uhr statt. Bis zum 11. April wird das Workshopergebnis als Mitteilungsvorlage den Stadtverordneten vorgestellt. Am 3. Mai gibt es eine öffentliche Podiumsdiskussion, zu dem der Rat für Kunst und Kultur einlädt. Thema: Wie viel Freiraum bleibt bei der Verdichtung der Innenstadt für Künstler und Kreativschaffende? 

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