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Punk zu Besuch: Lustwandeln in gewohnter Landschaft

Die Villa Schöningen zeigt Bilder des Briten Billy Childish. Der ist Punkmusiker, aber als Maler erfreulich unmodern.

Potsdam - Männer, Landschaften, Frauenakte, gemalt mit schnellem Strich auf ungrundierter Leinwand. Die Villa Schöningen zeigt Gemälde des britischen Künstlers Billy Childish. Als die Ausstellung am Mittwochabend eröffnet wurde, wollte der Maler sich allerdings nicht darauf beschränken, sein bildnerisches Schaffen zu präsentieren. Denn das Repertoire des Künstlers ist groß: Prosa, Lyrik und Musik gehören auch dazu. Eine vergleichbare Vielseitigkeit findet sich wohl nur noch bei den seligen Musikern Frank Zappa und Captain Beefheart.

Childish greift zum Mikrofon

Also greift Childish, geboren 1959 als William Charlie Hamper in Chatham, Kent – und gar nicht so kindisch, wie sein Künstlername nahe legt –, am Eröffnungsabend zum Mikrophon. Der Barraum in der Villa Schöningen ist prall gefüllt mit gut angezogenen und gestylten Besuchern. Die Boxen sind eingestöpselt, schließlich legen nachher noch zwei DJs auf. Childish trägt allerdings ohne musikalische Begleitung vor: a cappella, wie er erklärt.

Erst einige Gedichte über den Künstler selbst, der zeitweilig heftig dem Alkohol zusprach, nun aber, wie Wikipedia wissen will, Hatha Yoga praktiziert. Dann folgen Lieder, selbst verfasste und andere. Das gelingt erstaunlich gut, denn in seinem anderen Leben ist Childish Musiker. Insgesamt 125 LPs soll er mit verschiedenen Bands herausgebracht haben. Begonnen hat er als Punk, sich dann aber auch anderer Musik – Folk etwa – zugewandt. Childish produziert auch andere Künstler, beispielsweise die bekannten Hamburger Fun-Punker „Goldene Zitronen“.

Mit der Musik kam auch das Zeichnen

„Ein Punk-Musiker gilt ja schon dann als vom Establishment korrumpierter Verräter, wenn er anfängt, sein Instrument zu beherrschen“, so Mathias Döpfner, Inhaber der Villa Schöningen, als er Childish vorstellt. Über seine Korrumpierbarkeit zerbricht sich Childish jedoch offensichtlich nicht den Kopf. Er beherrscht seine Stimme durchaus und begleitet sich dann auch selbst mit einigen Gitarrenakkorden.

Als Childish in den 1980er-Jahren anfing zu musizieren, begann er zeitgleich auch zu zeichnen und Holzschnitte anzufertigen. Mit beidem hat er nie aufgehört, mittlerweile weist die Titelliste auf seiner Website mehr als einhundert Musikproduktionen auf. Gemälde und Zeichnungen wird es vermutlich noch viel mehr geben. Denn Childish malt offensichtlich und erklärtermaßen mit schnellem Strich, wie auch seine Musikproduktionen flott vonstattengehen.

Kein krampfiges Bemühen um Originalität

Das kommt beidem, Musik und Gemälden, zugute. Die Bilder wirken direkt, unmittelbar, gewissermaßen über das Leben, frisch von der Leber weg. „Der Nonkonformist begreift sein Werk als Teil einer epochenübergreifenden Konversation großer Außenseiter, die von Punk über Dada in die Klassische Moderne zurückreicht“, erklärt die Villa Schöningen im Pressetext. Und tatsächlich ist Childish offensichtlich völlig unbeeindruckt von allseits praktizierter Foto-Abmalerei oder krampfigem Bemühen um Originalität.

Stilistisch finden sich die Bilder irgendwo zwischen Munch und Schiele, mit Anklängen an den schottischen Gegenwartskünstler Peter Doig, der ebenso wie Childish gerne mal Wasserflächen und Kanus malt. Eine Konversation der Außenseiter ist das nicht, schließlich handelt es sich um restlos etablierte Positionen – aber es ist durchaus erfreulich, wie sich Childish ausdrücklich gegen jeden Modernisierungszwang stellt und gewissermaßen seinen eigenen Stiefel macht. Und den beherrscht er ganz und gar: Es ist eine Malerei, die nicht mit optischen Tricks aufwartet, sondern ganz auf ihre eigentümlichen Mittel vertraut. Dementsprechend unprätentiös auch die Titel der Bilder, die zumeist schlicht auf das Dargestellte verweisen und keinen lyrischen Budenzauber veranstalten: „Pinie und Stein“, „Baum, Abend“, „Mann am eisigen Fluss“.

Childish blickt auf vergangenen Zeiten zurück

Altertümlich gekleidete Männer auf Schiffen vergangener Zeiten sind zu sehen, Akte, schön gemalt, vor unbestimmtem Hintergrund, Waldszenen, Seeufer. Die Bilder schaffen eine Atmosphäre, die an vergangene Zeiten erinnert, ohne gestrig zu wirken. Moderne Accessoires finden sich in seinen Bildern nicht. Aber Körper und Landschaft waren immer Thema in der Kunst und werden es bleiben. Und auch in hundert Jahren werden sich die Menschen noch Blumen schenken.

Dementsprechend zeitlos inszeniert sich Childish bei seinem Auftritt in der Villa Schöningen: weißes gestreiftes Hemd, Hosenträger, ausladender Schnurrbart, Bowler-Hut, schwarze Stoffhose, braune Lederschuhe. Alles passt wunderbar zusammen und ist auch farblich auf die Bilder abgestimmt.

Als das Konzert vorbei ist, scheint sich die Stimmung im Garten der Villa dem künstlerischen Rahmen anzupassen. Ein wenig kühl ist es, aber es glühen die aufgestellten Lichter ebenso verhalten wie auf den Bildern des Künstlers. Die Gäste drängen zum gewohnheitsmäßig präsentierten Bratwurstbüfett, das mit erstaunlich vielen Varianten aufwartet. Der Hausherr dankt auch der kooperierenden Berliner Galerie, der Künstler ist offensichtlich guter Laune, und die Besucher lustwandeln im moderat beleuchteten Nachklang des unerfreulich nassen und jetzt auch bereits kalten Sommers.

Billy Childish, „Man with Jackdaw“, bis zum 14. Januar 2018 zu sehen in der Villa Schöningen, Berliner Straße 86. Die Ausstellung ist am Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag von 12 bis 18 Uhr sowie am Donnerstag von 12 bis 20 Uhr geöffnet

Richard Rabensaat

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