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"Der Kaufmann von Venedig" in der Inszenierung von Malte Kreutzfeldt, mit Andreas Spaniol als Antonio (l.) und Joachim Berger als Shylock (r.).

© Thomas M. Jauk

Premiere am Hans Otto Theater: Wie ein Mann ein Hund wird

Als erste Neuinszenierung der Spielzeit zeigt das HOT Shakespeares streitbarstes Stück: "Der Kaufmann von Venedig". Keine Komödie, sondern ein düsteres Lehrstück.

Potsdam - Ein antisemitisches Stück mit einer missratenen Figur: So hat Regieberserker Peter Zadek den „Der Kaufmann von Venedig“ mal genannt. Das um 1596 entstandene Stück gilt als das streitbarste Shakespeares. Inszeniert hat Zadek die Geschichte um den Juden, der aus Rache einem anderen ans Leben will, trotzdem. 

Auch das Hans Otto Theater hat es jetzt wieder hervorgeholt, als erste Neuinszenierung der Spielzeit. Nach einer Welle aus Komödien („Der Vorname“, „Die Mitwisser“, „Diener zweier Herren“, „Genie und Verbrechen“) ein spürbarer Schnitt. Auch „Der Kaufmann von Venedig“ ist als Komödie geschrieben worden – aber die Inszenierung von Malte Kreutzfeldt tut nicht so, als könne es das heute noch sein.

Ein Versuchsaufbau, der ins Allgemeine zielt

Seine auf knapp zwei pausenlose Stunden gekürzte Fassung ist eher düsteres Lehrstück. In einer tiefschwarzen Bühne (ebenfalls Malte Kreutzfeldt) wird ein Konflikt durchgespielt, in dem am Ende alle unrecht haben werden. Hier geht es nicht um die historische Dimension. Auch nur ansatzweise, über Kostüme (alles Anzug- und Bombenjackenträger) oder Sprache (Übersetzung Werner Buhss) um den Bezug zum Heute. Eher sieht sich das wie ein Versuchsaufbau, der ins Allgemeine zielt: Wie verhält sich eine Gemeinschaft angesichts einzelnen Elends?

Es beginnt mit einem Herz einsam in weiter Flur. Ein roter Luftballon. Herein poltern Kaufmann Antonio (Andreas Spaniol) und dessen flatterhafte Entourage in Saunatüchern. Freunde, denkt man erst, aber bald schon wird klar: Der Meute ist nicht zu trauen. Wie lauernde Aasgeier bauen sie sich hinter Antonio und dessen verehrtem Bassanio (Potsdamer Premiere: Bert Tischendorf) auf. Bassanio will auf Brautschau gehen, braucht Geld. Antonio, der lieber selbst von Bassanio umworben wäre, will es ihm geben: Er kauft sich ein in dessen Gunst. Muss es nur erst selber leihen. Dafür braucht er Shylock, den Juden.

Antonio und Shylock, beide sind auch Liebende

Wie Andreas Spaniols Antonio sich vom Verliebten in den Rassisten wandelt, von dem wir sofort glauben, dass er Shylock schon oft gedemütigt hat: eindrücklich. Auch Shylock (Joachim Berger) hat zwei Seiten. Hier gerissener Geschäftsmann, dort liebebedürftiger Vater. Mit Tochter Jessica (Charlott Lehmann) spricht er Jiddisch – irritierend erst, aber es zeigt doch die völlige Isolation dieses Mannes auf. 

Und auch eine Zärtlichkeit, die diese „missratene Figur“ braucht, um nicht völlig im Klischee des blutrünstigen Wucherers zu versinken. Denn Shylock will das Geld nur hergeben, wenn er im Falle der Zahlungsunfähigkeit von Antonio ein Pfund Fleisch bekommt. Darauf wird er bestehen. Aus keinem anderen Grund als – Rache. So oft hast du mich Hund genannt, sagt Shylock einmal, jetzt bin ich einer.

Eine Ebene, die den Aufbau ins Wanken bringt

Tatsächlich irritierend in all dem ist der breit ausgewalzte, pop-märchenhafte Erzählstrang um Portia (Katja Zinsmeister), die als Talkshowmasterin, als Sirene im Glitzerkleid über ihr eigenes Gefängnis wacht: Drei Kästchen. Wer das richtige wählt, bekommt sie zur Frau – und das fette Erbe des Vaters dazu. Eins, zwei oder drei! Hoppla, Medienkritik. Das mag dramaturgisch passen, aber auf der Bühne ist das ein Spagat, der diesen sonst so austarierten Versuchsaufbau ganz schön ins Wanken bringt.

Später wird auch Popcorn auf der Bühne gemacht. Die Aasgeier warten auf ihren Showdown. Sie werden ihn bekommen: eine Gerichtsverhandlung, bei der Katja Zinsmeisters Portia spielerisch meisterlich aufdrehen darf. Und eine Taufe. Nein, keine Taufe. Ein Pogrom.

Wieder am 4. und 10.9. im Großen Hau des Hans Otto Theaters.

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