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Die Scham der ersten Liebe. Arne Gottschling und Meike Finck in „Blauer als sonst“.

©  HOT/HL Boehme

Kultur: Porträt einer Generation

Ein rasantes Durcheinander bei „Blauer als sonst“ in der Reithalle

Bilder flackern rasant über den Bildschirm. In hecktischer Abfolge tauchen sie auf, um sofort wieder zu verschwinden. Immer schneller verschwimmen die einzelnen Sequenzen ineinander. Die Gesichter werden zu einer einzigen Masse, zu einem großen Durcheinander auf dem Bildschirm. Und plötzlich verschwinden sie alle, die durcheinanderschwirrenden Gedanken, und alles ist einfach nur noch blau. Am vergangenen Dienstag feierte das Stück „Blauer als sonst“ von Eva Rottmann Premiere in der Reithalle des Hans Otto Theaters: Es ist ein Stück über die Verwirrungen des Erwachsenwerdens und das Gefühlschaos der ersten großen Liebe.

Dabei könnte es so einfach sein. Ein Junge liebt ein Mädchen, das Mädchen liebt den Jungen. Doch nichts ist einfach, wenn man 14 Jahre alt ist und die Hormone einen wilden Tango auf das Gefühlsparkett legen. Für Finn (Arne Gottschling) und Jule (Zora Klostermann) ist es die erste große Liebe mit samt den Unsicherheiten, die diese so mit sich bringt. Da hilft es auch nicht, dass die anderen Jungs aus der Schule „es“ schon längst mit einem Mädchen gemacht haben und Finns Vater Frank (Josip Culjak) unbeholfen versucht, seinem pubertierenden Sohn beim Thema Aufklärung mit guten Ratschlägen zur Seite zu stehen. Aber auch Frank hat noch eine Geschichte mit einer ehemaligen Mitschülerin, der „dicken Seidel“ (Meike Finck), zu klären. Als Kioskbesitzerin ist die nun überhaupt nicht mehr dicke Frau Seidel der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte.

Es wird viel gedreht während dieser Inszenierung. Mal nach rechts, mal nach links verwandelt sich die große Rampe in der Mitte der Bühne vom Kinderzimmer, zum Schulhof und mit einer weiteren Drehung zum Kiosk. So waren nicht nur das Bühnenbild (Matthias Müller) und die unablässig flackernden Bildschirme an den Bühnenrändern ständig in Bewegung, auch die Darsteller ließen das Geschehen auf der Bühne nie zur Ruhe kommen. So boten nicht nur Arne Gottschling und Zora Klostermann eine ansehnliche Tanzeinlage, sondern auch Meike Finck brachte mit ihrer Performance zum Troggs-Klassiker „Wild Thing“ die Zuschauerreihen zum Schwitzen. Und zum Rotwerden.

So mancher der Zuschauer des größtenteils jungen Publikums schien ab und an vom Wiedererkennungseffekt gepackt worden zu sein. Ob das genervte Aufstöhnen, während Vater Frank bei einem McDonalds-Burger versucht mit Finn ein Aufklärungsgespräch zu führen, oder das Kichern, während Frank versucht herauszufinden, welche der Kondompackungen mit den klangvollen Namen „Long Lover“, „Friedrich der Große“ oder „Gummibär- etwas kleiner als die Standardgröße“ er seinem Sohn kaufen soll – den Jugendlichen im Publikum schienen diese Szenen nicht allzu fremd. Doch trotz des teilweise schwierigen Themas und der subtilen Moralvermittlung wurde während der 70-minütigen Vorstellung, die keine Minute zu lang oder zu kurz war, viel gelacht. Waren die Gags für sich schon lustig, wurde das durch die durchweg gute schauspielerische Leistung der Darsteller, wobei vor allem Arne Gottschling mit der schlaksigen Körpersprache eines 14-Jährigen und Zora Klostermann mit ausdrucksstarker Mimik brillierten, beinahe zur Perfektion geführt.

Regisseurin Kerstin Kusch hält in „Blauer als sonst“ einer ganzen Generation den Spiegel vor. Angefangen bei den derben Ausdrücken wie „Ficken“ und „Vögeln“, über die Peinlichkeit der eigenen Eltern, wenn es um das Thema Sex geht, und der beinahe allgegenwärtigen Unsicherheit, die die Jugendlichen schnell einmal überreagieren lässt. Das alles vereint sie zu einem wunderbaren Porträt einer Jugendgeneration, das nicht nur ein hübsches Durcheinander, sondern vor allem ein unglaublich sehenswertes Theaterstück ergibt.Chantal Willers

Nächste Aufführung von „Blauer als sonst“am Donnerstag, dem 23. Mai, um 18 Uhr, Reithalle, Schiffbauergasse, für Jugendliche ab 13 Jahren

Chantal Willers

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