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Filmfest München: Play it again, Otto

Beim Münchner Filmfestival ist die Bandbreite gewaltig. Sie reicht von Dokus über 1968 bis hin zu Andreas Dresens neuem Kinofilm "Whisky mit Wodka" - der für einen ersten Höhepunkt sorgt.

Standing Ovations, eine gefühlte Ewigkeit lang, gab es gleich am ersten Abend des 27. Münchner Filmfests bei „Keep Surfing“. Der Dokumentarfilm von Björn Richie Lob zeigt schließlich ein Münchner Phänomen: die legendäre Surf-Location der Stadt. Mitten in der City, gleich neben dem Haus der Kunst, trifft sich bei der stehenden Welle im Eisbach, einem Isar-Kanal, die kleine Münchner Surfgemeinde. Der Film erzählt von ihren Hackordnungen, von Wahnsinnsaktionen während der Isar-Hochwasser, von internationalen Top-Surfern, die gerne zu Besuch kommen. Die Musik pusht, die Bilder auch, das Publikum ist glücklich. Hier ist München ganz bei sich.

Neben internationalen Reihen bietet das Münchner Festival alljährlich auch ein Schaulaufen des deutschen Films. 17 neue deutsche Kinoproduktionen werden gezeigt, außerdem 22 Fernsehfilme. Die Bandbreite ist gewaltig. Für einen ersten Höhepunkt sorgte erwartungsgemäß „Whisky mit Wodka“, das neue Werk von Andreas Dresen. Ein Film über eine Filmproduktion, das Drehbuch schrieb Wolfgang Kohlhaase – wie schon bei „Sommer vorm Balkon“.

Henry Hübchen spielt den alternden, mit Alkoholproblemen kämpfenden Schauspieler Otto, der betrunken auf dem Set auftaucht und deshalb Konkurrenz vor die Nase gesetzt bekommt. Die Produzenten trauen ihm nicht mehr über den Weg und ersinnen eine perfide Konstruktion. Jede Szene wird ab sofort zweimal gedreht, erst mit Otto und noch einmal mit einem Jüngeren, nur zur Sicherheit. Natürlich funktioniert das nicht. Otto fühlt sich gedemütigt, und sein Konkurrent hofft auf die große Chance.

„Whisky mit Wodka“ erzählt in heiterem Tonfall vom Älterwerden, von Liebe und Einsamkeit, von Masken- und Rollenspielen und von verpassten Chancen. Der Film im Film und die äußere Handlung ergänzen und kommentieren einander, dennoch wirkt nichts verkünstelt. Man lacht und merkt, wie traurige Menschen versuchen, irgendwie glücklich zu sein. Eine Filmproduktion als Parabel auf das Leben, Zwanzigerjahreflair trifft auf die Gegenwart. Pointierte Melancholie für einen Sommerabend. Andere deutsche Komödien wie „Diamantenhochzeit“ von Michael Kupczyk und „Unter Strom“ von Zoltan Paul sind dagegen lediglich Krimi-Klamotten.

Mit Politik und den 68ern beschäftigen sich der Dokumentarfilm „Die Anwälte“ von Birgit Schulz und der Fernsehfilm „Dutschke“ von Stefan Krohmer. Schulz verfolgt die Karrieren der drei ehemaligen Anwälte Otto Schily, Hans Christian Ströbele und Horst Mahler. Ausgangspunkt war ein Foto, das alle drei Anfang der Siebziger in einem Gerichtssaal zeigt. Der Film stellt implizit die Frage, wie der anfänglich gemeinsame Traum einer besseren linken Welt zu völlig unterschiedlichen Lebensläufen führen konnte. Warum wurde Mahler als erfolgreicher Anwalt RAF-Mitglied und später Rechtsradikaler? Wie wurde Schily zum Innenminister mit Hardliner-Tendenzen, während Ströbeles Biografie bis zu seiner heutigen Rolle als Gewissen der Grünen ungebrochen erscheint?

Der Film montiert historisches Material neben Interviews mit den Porträtierten. Eine Außensicht gibt es nicht. Natürlich hält jeder seine Biografie für in sich geschlossen und kann erklären, wie das Früher zum Heute passt. Auf die Spur kommt man den dreien nicht und doch ist der Film spannend, weil er zeigt, wie sich Geschichte im Menschen spiegelt und der Mensch in der Geschichte.

Einen ergiebigeren Ansatz wählten Stefan Krohmer und sein Autor Daniel Nocke für „Dutschke“. In Spielfilmszenen wird Rudi Dutschke von Christoph Bach gespielt, dazwischen gibt es Originalmaterial und Interviews mit Zeitzeugen und Weggefährten. Das Verfahren funktioniert gut, die Spiel-Szenen geben Einblick in das Private. Die Interviewten widersprechen sich, geben sich eitel und bezeichnen die jeweils anderen Sichtweisen als Quatsch. Die eine Sicht auf Dutschke gibt es hier nicht.

Vielmehr wird deutlich, wie sehr er Projektionsfläche war, und wie sehr auch heute noch um die Deutungshoheit über eine prägende Zeit der BRD gekämpft wird. Die Stasi-Verstrickungen um die Ermordung von Benno Ohnesorg sind in beiden Filmen natürlich noch kein Thema und dennoch denkt man sie beim Sehen mit. Der Kampf um die geschichtliche Interpretation wird weitergehen.

Karl Hafner

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