zum Hauptinhalt
Aus Wut und Angst etwas Schönes machen. Manami Nagahari und beschäftigt sich mit guter und gefährlicher Strahlung.

© promo

Performance zu Fukushima: Eine Frage der Dosis

Die japanische Musikerin Manami N. zeigt fünf Jahre nach dem Unglück von Fukushima in Potsdam eine Performance zum Thema Strahlung.

Ist das politisch? In Japan sagen sie ja, wenn Manami Nagahari von ihrer Performance erzählt, die von Strahlung handelt. Von Strahlung, die Gutes bewirkt, wie die in der Chemotherapie, und von Strahlung, die tödlich ist, wie die nach der Bombardierung Hiroshimas und Nagasakis oder nach dem Reaktorunglück von Fukushima, am 11. März vor fünf Jahren. Für sie selbst ist das eine nur schwer vom anderen zu trennen, beide Formen von Strahlung haben für sie eine private Bedeutung: Die Japanerin ist vor zwei Jahren an Brustkrebs erkrankt, wurde in Deutschland operiert.

Die Künstlerin ist selbst an Brustkrebs erkrankt

Das Bizarre an Japan, ihrer Heimat, sagt Manami Nagahari, sei, dass die Menschen diese Bombardierung zu Ende des Zweiten Weltkriegs er- und mit den Folgen gelebt haben. Und trotzdem bis 2011 ignoriert haben, dass sie auf wackligem, weil erdbebenanfälligem Boden leben – und dass sie sich diesen Boden mit lauter Atomkraftwerken teilen. Eigentlich denkbar ungeeignetes Territorium für die Nutzung von Kernenergie. Erst nach dem Unglück von Fukushima sei auch ihrer eigenen Familie aufgefallen, dass zehn Kilometer neben ihrem Wohnort ein riesiges Atomkraftwerk steht, sagt Manami Nagahari.

Das passt natürlich zu dem Vorurteil, das hierzulande viele gegenüber Japan haben: Dass die Menschen dort technikbegeistert, nicht so technikfeindlich wie die Deutschen sind. „Es gibt schon ein Grundvertrauen in die Technik – aber auch in den Staat“, sagt Manami Nagahari. Einer, glaube man, helfe schon: die Firma oder der Staat. „Es gibt einige Tepco-internen Aufnahmen aus der Zeit des Unglücks“, sagt die schmale Frau – und schüttelt den Kopf. Auch die werden in ihrer Performance, die sie am 14. März im Thalia Kino zeigen wird, eingebaut sein. Untertitel brauche es dabei nicht, das Monströse, das sich ereignete, werde aus den Stimmen für jeden plastisch greifbar. Aber es hilft, wenn man weiß, dass es in Japan mehr als unüblich ist, im Arbeitsleben emotional zu werden. „Da ist Panik zu hören, das ist ziemlich selten, speziell bei Männern im Büro – und deshalb schwer zu ertragen.“

Es gibt Anti-Atom-Initiativen in Japan, aber viele verdrängen das Thema

Nach der Katastrophe hätten sich viele Anti-Atom-Initiativen gegründet – unter ihren alten Freunden aber sei das bis heute kein Thema. „Mein Gott, bist du so politisch?“, fragen sie Manami dann. Die Angst sei vielleicht da – aber sie zu zeigen, das gehe nicht. Eigentlich nur logisch. Wie – ohne Verdrängung – soll man sonst den Alltag mit der ständigen Bedrohung bewältigen? Das lässt sich ja nicht nur in Japan, sondern in vielen anderen Regionen mit – ganz anderen – Bedrohungslagen beobachten. „Die Leute können sich nicht ständig fragen: ,Kann ich dies essen, den Kindern das geben, das Wasser trinken oder nicht?’“, sagt Manami. Wer es nicht verdrängt, es an sich heranlässt, der leidet eben auch darunter. „Das ist deshalb auch ein heikles Thema, weil immer der Vorwurf mitschwingt: Warum seid ihr nicht aktiver?“ Sie aber habe leicht reden, sie sei nach ein paar Wochen wieder weg.

Hier aber ist Manami aktiv, durch ihre Kunst. So explizit politisch will sie die gar nicht verstanden wissen, es ist eben eine Transformation aus Erlebtem zu etwas Größerem. Eine Collage aus Musik – Beethovens 9. Symphonie etwa, die sie, typisch japanisch, jedes Jahr zu Silvester hört, aus eigenen Kompositionen und aus Text. Aus religiösen Schriften aus dem japanischen Zen, solchen des Psychiaters Carl Jung, Josepf Conrads „heart of darkness“, aber auch Transkripte von Interviews aus einem Kindererholungsheim in Weißrussland. Dann Christa Wolf und Brecht, Wolf vor allem, weil sie mit „Störfall“ unmittelbar auf den Super-GAU in Tschernobyl reagiert hat. Darin wartet eine der Figuren auf die OP ihres Hirntumors, zugleich ereignet sich der Unfall. Das ist ein wenig wie das Echo dessen, was Manami selbst geschehen ist.

Die Premiere von Manamis Performance „7,25 Strahlung“ findet in Potsdam statt – und zwar am 14. März im Thalia Kino, Rudolf-Breitscheid-Straße 50, um 17 Uhr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false