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Grenzen überwinden. Die Solisten und Schauspieler begeben sich in der Inszierung auch ins Publikum und den Saal. Henrike Commichau spielt alle Frauen, Fabian Kulp alle männlichen Rollen.

© Johanna Bergmann

Kultur: „Nur Spaß haben und vögeln“

Chor und Orchester der Universität Potsdam führen Purcells Sommernachtstraum „Fairy Queen“ auf

War Shakespeares Sommernachtstraum womöglich nichts anderes als eine Flashmobparty? Der Rock im Ba-Rock? Verwirrend ist sie jedenfalls, die Komödie, in der Herrscher und Handwerker, Schauspieler, Feen und andere Zauberwesen aufeinandertreffen, sich kreuz und quer verlieben, in wilde Träume verfallen, Theater spielen und feiern. Etwa 100 Jahre nach der Uraufführung machte der der englische Komponist Henry Purcell aus dem Shakespeare-Material eine Semi-Oper. „The Fairy Queen“, die Feenkönigin, wurde als Stück mit Musik, erzählenden und gesungenen Parts 1692 uraufgeführt. Die Geschichte wurde ein wenig vereinfacht – die Grundidee aber blieb. Jetzt wird das Stück von Chor und Orchester der Universität Potsdam sowie Solisten aufgeführt. „The Fairy Queen. Ein Fest“ als Pop-Up-Party mit Drogen und Alkohol, irgendwo im Wald. Gastgeber und Anlass sind unklar, ebenso, wer später mit wem nach Hause geht.

Ein komisches Kraut wird von den Elfen herumgereicht, berauscht und verwirrt die Leute. „Alle wollen eigentlich nur Spaß haben und vögeln“, sagt Henrike Commichau. Die 24-jährige Potsdamerin und fast fertig ausgebildete Schauspielerin ist bei „Fairy Queen“ dabei, ebenso Fabian Kulp, Mitstudent aus der Münchener Otto-Falckenberg-Schule. Neben Chor, Orchester und Gesangsolisten übernehmen sie die Schauspielparts. Die Besetzung: „Ganz einfach: Ich spiele alle Sie, Fabian alle Er“, sagt Henrike Commichau. „Wir spielen, sprechen und bringen die Handlung voran.“ Das Spiel verdeutlicht nicht nur Handlung, es drückt auch Kommentare und Gedanken aus. Es sind mitunter schnelle Brüche und Übergänge. „Das Stück ist super unübersichtlich, da muss man wach bleiben“, sagt sie.

Die Gesamtleitung hat Kristian Commichau von der Universität Potsdam, erfahrener Gastdirigent über Stadtgrenzen hinaus – und Vater von Henrike. Gerne arbeitet sie mit ihm zusammen. „Ich versuche, nicht in die Tochterrolle zu fallen. Aber ich glaube, wir sind ein gutes Team.“ Die Prägung kommt natürlich vom Elternhaus, sie spielte Geige und Bratsche, machte mit Hausmusik, war im Evangelischen Gymnasium Hermannswerder Mitglied in Orchester, Chor und Theatergruppe, auch im Jugendtheater am T-Werk. „Aber das Schauspielen hat mich doch mehr gereizt.“ Schon nach dem zweiten Vorsprechen bekam sie die Zusage der Falckenberg-Schule. Im Sommer wird sie dort fertig sein, wohin es dann geht, weiß sie noch nicht. Zur Zeit finden Bewerbungen und Intendantenvorsprechen statt: „Das ist ein bisschen wie ein Viehmarkt mit Schauspielern.“ Sie ist sich allerdings gar nicht so sicher, was sie eigentlich möchte. „Jedenfalls nicht an ein kleines Provinztheater“, sagt sie. Und nördlicher als München sollte es sein, in Richtung Heimat. Vielleicht studiert sie auch weiter. „Ich habe noch Lust zu lernen.“

Fabian Kulp, 27 Jahre alt und aus Nürnberg, hat schon eine Zusage vom Staatstheater Oldenburg. Mit seinem Kinnbart sieht er aus, als sei er per se auf Shakespeare spezialisiert. Das ist natürlich Quatsch. Auch wenn er Shakespeare sehr mag. Die Sprache hat was, findet er, nicht nur in modernen Übersetzungen oder adaptierten Fassungen, sondern auch im Original. „Da ist alles Mögliche drin, was Spaß macht, allein die vielen Beleidigungen“, sagt Kulp. Aber er sei darauf nicht festgelegt. „Ich freue mich drauf, verschiedene Typen und Inszenierungsarten auszuprobieren.“ Jetzt ist er gespannt, wie das Zusammenspiel mit so großen Ensembles funktioniert. Der Chor repräsentiert die Partymeute, das Orchester spielt und verstärkt Stimmungen, dazu kommen Zwischenspiele der Percussiongruppe Bodydrums. Diese Inszenierung habe ein ganz anderes Ausmaß als ein einfaches Theaterstück. „Wenn die Riesentruppe also Musik macht und ich Pause habe – wie verhalte ich mich? Was mache ich in der Zeit – und kann ich überhaupt die Klappe halten?“

Noch einer aus der Münchener Falckenberg-Schule ist dabei. Swen Lasse Awe, der demnächst sein Studium beendet, führt Regie und schrieb auch die neuen, modernen Texte mit Shakespeare-Zitaten. Es gibt keine originale Text-Vorlage, sagt Kulp, und beinahe hätte es auch die Partitur nicht gegeben. Sie ging nach Purcells Tod verloren und wurde erst Anfang des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt.

Ganz nach Originalvorlage spielt das Orchester schon während des Einlasses Musik und auch während der Umbauphasen – einen Vorhang gibt es nicht. Der Geist des Shakespeareschen Theaters, als mitten im Publikum, dicht dran an den Zuschauern gespielt wurde, soll sich auch im Nikolaisaal, wo die Aufführungen stattfinden, wiederfinden. Solisten und Schauspieler werden auch mal ins Publikum, in den Saal hineingehen, Grenzen überwinden. Henrike Commichau kann sich das gut vorstellen. Wach bleiben und Spaß haben – das gilt eben nicht nur für die Akteure. Steffi Pyanoe

„Fairy Queen“ von Henry Purcell am 24. und 25. Januar jeweils um 19 Uhr im Nikolaisaal, Karten kosten 8 bis 20 Euro.

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