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Heilige Baustelle. Die Pariser Kathedrale im derzeitigen Zustand, vier Jahre nach dem Brand.

© imago/IP3press/IMAGO/Vincent Isore

Notre-Dame interaktiv: Die Kathedrale als Digitalschauspiel

Vier Jahre nach dem verheerenden Brand. Das Maison de France in Berlin zeigt eine Ausstellung zur Geschichte und dem Wiederaufbau der Pariser Kirche.

Der Brand der Pariser Kathedrale Notre-Dame war ein Schock, nicht nur für Frankreich, sondern für die ganze westliche Welt. Vier Jahre liegt der Brand zurück, der in den frühen Abendstunden des 15. April 2019 ausbrach und bald darauf live in den Abendnachrichten von ganz Europa zu sehen war. Als Symbol ins kollektive Gedächtnis eingeprägt hat sich das Bild des in den Flammen kollabierenden Vierungsturms, dessen brennendes Gerippe ins Innere des Kirchenbaus stürzte.

Nach anfänglichen Debatten kam der Wiederaufbau dann doch sehr entschlossen in Gang, und noch im kommenden Jahr, wenn auch mit dem 8. Dezember an dessen Ende, soll die Wiedereinweihung gefeiert werden. Und zwar so, wie die Kathedrale vor dem Brand ausgesehen hat, nur eben restauriert und gereinigt und mit jener Technik ausgestattet, deren Fehlen den Brand von 2019 begünstigt hatte. Entstanden ist er in unmittelbarer Nähe des aus Holz und Blei errichteten Vierungsturmes.

Genauso wird der Vierungsturm wiedererstehen, dessen Spitze 93 Meter über Bodenniveau aufragt, höher als die beiden steinernen Türme der Westfassade. So und nicht anders hat sich das Bild von Notre-Dame eingeprägt, insbesondere den zwölf Millionen Touristen, die zuletzt jährlich zu verzeichnen waren. Und so und nicht anders ist es auf den Tablets zu sehen, die die Besucher der interaktiven Ausstellung „Notre-Dame de Paris. Weltreise einer Kathedrale“ im Maison de France in die Hand bekommen.

Blick in die Ausstellung „Notre-Dame. Weltreise einer Kathedrale“ im Maison de France.

© Thomas Rafalzyk/L’Oréal DACH

Nach Stationen in Dubai, Schanghai und Washington ist nun Berlin an der Reihe, sich in die Baugeschichte von Notre-Dame zu vertiefen. Ein wahres Wunderwerk ist es, dass da auf die Tablets programmiert worden ist, technisch an der Spitze dessen, was „augmented reality“ derzeit bieten kann.

Das Erdgeschoss des Maison de France ist dafür in eine Total-Installation verwandelt worden, mit transparenten Fotografien der farbigen Glasfenster, mit Großfotos der Kathedrale und mit Teilmodellen wie dem des Vierungsturmes. All das aber ist nur Kulisse, denn 15 Stationen wollen in einem Rundgang angesteuert werden, die dann nach entsprechendem Scan auf dem Tablet erscheinen und alles Wissenswerte über den Bau und die vielhundertjährige Geschichte der Kathedrale verraten. Dabei hilft eine Zeitleiste auf dem jeweiligen Bild, sich von den Anfängen im Jahr 1163 bis zum heutigen Tag zu bewegen und den Wandel des Bauwerks zu verfolgen.

Die Kaiserkrönung Napoleons war großes Kino

Produziert hat den virtuellen Rundgang durch Ort und Zeit das darauf spezialisierte Unternehmen „Histovery“, dessen Chefs zur Eröffnung nach Berlin gekommen waren und versicherten, dass die naturgemäß hypothetischen Darstellungen insbesondere aus der Frühzeit von Notre-Dame von wissenschaftlichen Beratern abgesegnet worden sind. Keine Hollywood-Fantasien also, sondern stets ein „So könnte es gewesen sein“.

Und großes Kino gab es schon in der Vergangenheit, etwa bei der Kaiserkrönung Napoleons im Dezember 1804. Die ist durch das berühmte Gemälde von Jacques-Louis David überliefert, wovon ein Ausschnitt die entsprechende Station der Ausstellung begleitet. Im weiteren Rundgang wird deutlich, dass die Kathedrale erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts das Aussehen erhielt, das heute weltweit bewundert wird. So wurden die Einbauten der Barockzeit beseitigt. Den Vierungsturm hat der mit der Restaurierung betraute Architekt Viollet-le-Duc ersonnen und 1859 ausgeführt, anstelle des Jahrzehnte zuvor abgetragenen, baufälligen gotischen Originals.

Diese Schöpfung des 19. Jahrhunderts aus 500 Tonnen Eichenbalken und 250 Tonnen Bleibelag wird wieder aufgesetzt, nachdem inzwischen die tragenden Gewölbe wiederhergestellt sind. Überhaupt, so die Botschaft auch dieser Ausstellung, wird die Wiederherstellung der Kathedrale termingenau abgeschlossen sein, auch dank modernster Hilfsmittel. Unter welchen Mühen hingegen die mittelalterlichen Bauleute steinerne Gewölbe in schwindelnden Höhen aufmauerten, zeigt eindrucksvoll die Animation auf den Tablets.

Ob der Dombaumeister des 12. Jahrhunderts – niemand kennt seinen Namen – tatsächlich unter einem hölzernen Schutzdach Bauzeichnungen anfertigte, wie das Tablet es vorführt, sei einmal dahingestellt. Auf jeden Fall ist es ein großes Schauspiel, das im Maison de France zu sehen ist, in einem Ambiente, das nur einem Ziel dient: Lust zu machen auf den Besuch der bald schöner denn je restaurierten Kathedrale Notre-Dame, dem Wahrzeichen von Paris. Jetzt mehr denn je.

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