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Nikolaisaal Potsdam: Träumen von Bollywood

Ein Abend für den Komponisten Allah Rahka Rahman mit dem Filmorchester Babelsberg.

Fast im Halbdunkel, ein wenig abseits der Szenerie im Foyer des Nikolaisaal, trotzdem aber mit lässiger Eleganz lehnte der indische Sitar-Spieler, Komponist und Musikproduzent Asad Khan an einem ungenutzten Tresen und hielt Audienz.

Als nicht einmal eine Stunde zuvor Vasanthi Kuppuswamy, Moderatorin des mit dem Titel „Bollywood Dreams“ überschriebenen Programms, das zur Eröffnung der neuen Saison des Nikolaisaal und zu Ehren des ebenfalls anwesenden Komponisten A.R.Rahman zusammengestellt wurde, den Namen des Sitar-Spielers ankündigte, ging eine Welle überschwänglicher Zuneigungsbekundung durch den Saal. Übertroffen wurde so viel Begeisterung nur noch von dem kurzen Auftritt von Allah Rahka Rahman, der in seinem Land als Superstar gilt und kurze Zeit nach Asad Khan auf die Bühne trat. Später, im Foyer, wird die Menge, eine Mischung aus Landsleuten und Bollywood-Fans, förmlich über A.R.Rahman herfallen, um ein Autogramm zu bekommen und einem Oscar-Preisträger ganz nah zu sein. Für „Slumdog Millionär“ hatte der gebürtige Tamile 2009 zwei der begehrten Trophäen ergattern können – für dessen Soundtrack und den Filmsong.

Für eben diesen Song, den letzten in einem zweistündigen Programm am Samstagabend im Nikolaisaal, hatte er auch Asad Khan einfliegen lassen. Der, ganz in Schwarz und mit einem indischen Schal über der Schulter, nahm im Schneidersitz auf der Bühne Platz und flog mit schnellen Fingern über die Saiten seiner Sitar. So schuf Asad Khan einen der wenigen Momente, in denen die indischen Impressionen, die bereits vorher via Beamer auf die Leinwand hinter der Bühne projiziert worden waren, auch mit etwas Leben gefüllt wurden. Wer ansonsten an diesem Abend den Titel der Veranstaltung „Bollywood Dreams“ für bare Münze nahm und das bunt schillernde, beinahe ein wenig kitschige, aber doch sehr reizvolle Bollywood-Gefühl erwartete, musste enttäuscht werden.

Zwar produziert die indische Filmindustrie 800 bis 1200 Filme pro Jahr – vorhersehbar und mit einem Happy End als Muss, eine Welt der Wünsche und Träume – aber ein europäisches Orchester ist schlicht nicht in der Lage, die Eigenheiten der indischen Filmmusik umzusetzen. Also schrieb Dirigent Matt Dunkley die Stücke kurzerhand um und lieferte so ein sehr europäisch eingefärbtes symphonisches Werk – umgesetzt vom Kammerchor des KM Music Conservatory Chennai, dem Deutschen Filmorchester Babelsberg und dem Chor des Helmholtz-Gymnasiums Potsdam.

Die Chöre, die gemischt im Hintergrund des Orchesters standen, hatten nicht viel Text. Am dankbarsten waren die Sänger dann wahrscheinlich über die Musik aus „Herr der Ringe“ und „Slumdog Millionär“, Stücke, in denen es auch etwas zu singen gibt. Alles andere geriet eher zur lautmalerischen Unterhaltung und nur die Aufregung um diese versuchte Symbiose aus indischer Musik und ihrer europäischen Interpretation, um das Zusammenspiel mit dem Filmorchester und so aufregenden Solisten wie beispielsweise den Flötisten Navin Iyer oder Sängerin Kavita Baliga müssen die überwiegend jungen Sängerinnen über zwei Stunden so tapfer auf den Beinen gehalten haben.

Das Orchester, welches die neu arrangierte Musik zu Historienepen wie „Lagaan“ oder „Elisabeth“ in ihrer Dramatik genauso erfasste wie das chinesische Actionabenteuer „Warriors of Heaven and Earth“ oder die ergreifende Geschichte des Bergsteigers Aron Ralston, 2010 verfilmt in „127 Hours“, setzte alles an Schlag, Streich- und Zupfinstrumenten ein, was es zu bieten hatte. Mit Paukenschlägen, wilden Geigenpartien, Klarinetten und Trompeten erzeugte es die in der Filmmusikbranche so typische orchestrale Stimmung aus Katastrophe, Endzeit oder furiosem Neubeginn. Nur leider nicht Bollywood.

Ursprung dieser nationalitätenübergreifenden Idee war, so die Moderatorin, das Deutschlandjahr in Indien, welches unter anderem das Goethe-Institut und den Intendanten des Filmorchesters Babelsberg, Klaus-Peter Beyer, auf die Idee brachte, deutsche Musiker mit einem Tribut zu Ehren des Starkomponisten A.R.Rahman zu betrauen. Die Folge war eine Konzerttournee zu Beginn des Jahres, die die indischen und deutschen Musiker durch die fünf großen indischen Metropolen Mumbay, Neu-Dheli, Chennay, Kolkata und Bangalore führte. Fotos dieser Reise untermalten via Beamer bereits einige Stücke des Konzertes im Nikolaisaal. Die vollständige Dokumentation soll im September als Zweiteiler auf Arte zu sehen sein.

Andrea Schneider

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