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Hoch hinaus. „Wir sind zwar ein kleiner Player, aber wir schießen bis ganz nach oben“ – unter dieses selbstbewusste Motto will Bettina Jahnke, hier im Hotel Mercure, das Hans Otto Theater stellen. Ab Sommer 2018 wird sie dessen neue Leiterin.

© Andreas Klaer

Neue Intendantin des Hans Otto Theaters Potsdam: Jahnke: „Das Theater um 180 Grad drehen“

Bettina Jahnke möchte als neue Intendantin das Hans Otto Theater ab Sommer 2018 wieder mehr in Richtung Stadt öffnen. Wie sie das erreichen möchte und welche weiteren Pläne sie hat, schildert sie im PNN-Interview.

Frau Jahnke, Potsdams derzeitiger Intendant Tobias Wellemeyer sagte über die Stadt, sie sei wie ein Hühnerhaufen: Man kriegt ihn so leicht nicht zusammen. Wie soll Ihnen das gelingen, wenn Sie 2018 das Hans Otto Theater übernehmen?

Um mir darüber ein Urteil zu erlauben, müsste ich den Hühnerhaufen erst einmal kennen. In diesem Sinne würde ich sagen: Warten wir mal ab.

Sie kennen Potsdam aber schon lange, haben 2003 hier selbst inszeniert. Da haben Sie sich doch sicher schon Gedanken über das Potsdamer Publikum gemacht?

Ja, na klar. Aber es gibt einen großen Unterschied, ob ich als Zuschauerin und Privatperson in die Stadt komme oder ob ich als Intendantin aufgefordert bin, Theater für diese Stadt zu machen. Ich werde also viel hier sein in den nächsten Tagen, viel durch die Stadt laufen, werde mich viel in den Randgebieten aufhalten. Hühnerhaufen ist nicht das erste, was mir einfällt, wenn ich an Potsdam denke. Mag sein, dass man zu diesem Urteil kommt, wenn man länger hier lebt. Im Moment ist es für mich eine tolle, pulsierende, wachsende Stadt, mit Brüchen und Widersprüchen. Ich sehe den Osten in der Stadt, sehe, wo sie herkommt – und ich sehe, wo sie hinwill. Dazwischen muss ich jetzt gucken, wie ich meinen Platz finde. Als Touristin habe ich anders auf die Dinge geguckt. Jetzt werde ich Potsdamerin.

Womit haben Sie die Potsdamer Findungskommission um Herrn Jakobs überzeugt?

Mein Slogan ist „HOT: Haltung, Offenheit, Toleranz“. Das sind die drei Werte, die ich hier leben möchte – so möchte ich mein Haus im Inneren leiten und das möchte ich auch auf der Bühne zeigen, danach möchte ich die Stücke, die Kunst auswählen. Das Motto soll als Folie über allem liegen. Für die Findungskommission war wichtig, dass ich gesagt habe: ich mache Theater für diese Stadt. Ich habe zehn Jahre Theater in NRW gemacht, an einem Ort, wo ich Düsseldorf vor mir, Köln hinter mir, über mir Bochum hatte. Dort ist das Theater so dicht, dass man ein eigenes Profil entwickeln muss – und ein Selbstvertrauen. Da muss man sagen: Wir sind zwar ein kleiner Player, aber wir schießen bis ganz nach oben. Dass wir viermal zum Theatertreffen in NRW eingeladen wurden, spricht dafür, dass wir dort das richtige Rezept gefunden haben. Aber dieses Rezept entwickelt man erst mit der Zeit.

Haben Sie schon Themen im Blick?

Dafür ist es zu früh. Ich habe auch noch nicht einmal meinen Vertrag unterschrieben. Um meine Idee konkret zu entwickeln, brauche ich mein Team, meine Dramaturgen. Ich möchte das alles ja nicht alleine machen, sondern mit meinen Leuten zusammen. Wenn ich meine Leute gefunden habe, dann können wir zusammen die thematischen Spielpläne machen. Ich bin ein großer Fan von thematischen Spielzeiten, es zwingt mich in ein konkretes Denken hinein.

Gerade standen wir für das Foto im 16. Stock des Mercure. Welche Fragen an Potsdam kommen Ihnen in den Sinn, wenn Sie so von oben auf die Stadt sehen?

Wir haben da eben die Fachhochschule gesehen und daneben das Barberini. Besser kann man es gar nicht haben. Ich komme aus dem Osten, dort habe ich auch meine Themen. Ich finde, Potsdam ist eine Stadt, die ihre Ostvergangenheit nicht vergessen darf. Der müssen wir uns stellen. Es gibt ja viele Menschen hier, die die DDR noch erlebt haben. Auf der anderen Seite möchte ich gern ganz junge Autoren ans Haus binden und neue Geschichten schreiben – Geschichten, die nach vorne blicken. Und dann gibt es natürlich die ganze alte Geschichte, die preußische, die auch aufzuarbeiten ist. Kleist wird sicherlich eine große Rolle spielen. Ich könnte mir vorstellen, dass man etwa eine Linie zum Kleistförderpreis in Frankfurt (Oder) zieht.

Was verbirgt sich für Sie hinter dem Stichwort Offenheit?

Man kann supergutes Theater machen – wenn keiner kommt, bringt es nichts. Das heißt, es kommt auch auf das Marketing an, darauf, in die Stadt zu gehen. Man müsste das Haus in Potsdam eigentlich um 180 Grad drehen. Von der Architektur her öffnet es sich nach Berlin. Potsdam hingegen zeigt es den Rücken. Ungünstiger kann man ein Theater eigentlich gar nicht bauen. Jetzt sind wir Theatermacher gefordert, die Öffnung zur Stadt hin zu schaffen. Die Entscheidung, gehe ich ins Theater oder nicht? fällt ja in der Stadt. Also muss man die Leute auch hier abholen, Theater im Stadtgebiet machen. Dafür müssen wir jetzt neue Konzepte finden.

Gibt es schon ein Wir, ein Team, das Sie mitbringen möchten?

Ich habe Wunschpartner im Kopf, aber es ist noch nichts spruchreif. Ich bin ein Teamplayer, ich liebe es, mit Dramaturgen zu arbeiten. Ich bin jemand, der im Sprechen und Machen denken kann. Ich mache das nicht in meinem Kämmerlein und lege es dann den Kollegen vor.

Ist es vorstellbar, dass ein Teil des jetzigen Ensembles in Potsdam bleibt?

Auf jeden Fall. Ein Ensemble besteht aus 25 Leuten. Ich werde Kollegen aus Neuss mitbringen, aber eine gute Mischung mit Potsdamern kann ich mir durchaus vorstellen. Ich werde mich so früh wie möglich dem Postdamer Ensemble vorstellen. Danach Vorstellungen besuchen und Gespräche mit dem Ensemble führen.

Suchen Sie in dieser Phase auch den Austausch mit Tobias Wellemeyer?

Ja, natürlich. Alles andere wäre dumm. Er weiß ja, wie es geht!

Sie könnten sagen: Ich fange bei Null an.

Ach, ich werde das Rad nicht neu erfinden. Ich kenne Tobias seit 25 Jahren, wir kommen aus dem gleichen Stall, der Theaterhochschule in Leipzig. Er ist ein toller Theatermann, den ich sehr schätze.

Wie wichtig ist neue Dramatik für Sie?

Von zwölf Produktionen sind in Neuss zwei modern und eine sehr modern, das heißt ein zeitgenössischer Text, das ist mir sehr wichtig. Es kommt auf die Mischung an – aus anspruchsvoller Dramatik und gut gemachter Unterhaltung. Man muss die Zuschauer ja manchmal auch ein bisschen zwingen. Durch Christoph Schroth am Cottbusser Theater habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Leute dann oft auch gerne hingehen. Und ich glaube nicht, dass der Potsdamer schwieriger ist als der Cottbusser oder der Neusser.

Glauben Sie nicht? Das Umfeld zumindest ist schwieriger. In Cottbus gibt es ein Theater, um Potsdam herum viele.

Ich bin da sehr gespannt. Alle sagen immer: „Potsdam, toll! Aber: schwieriges Pflaster.“ Ich kann das so langsam nicht mehr hören. Im Moment spornt es mich jedenfalls eher an. (lacht) Für uns Theaterleute ist es ja generell eher schwierig. Theater ist kein Medium, das besonders zeitgeistig ist, wie der Film oder digitale Medien. Ich finde, wir dürfen unsere Herkunft nicht verleugnen. Andererseits dürfen wir kein Orchideengewächs werden, was dann nur noch so etwas ist wie der Schatz im Silbersee. Theater ist in seiner Form ja ziemlich unsexy, und wir müssen daraus etwas machen, das sexy ist.

Ist Theater nicht die sexieste Kunstform überhaupt?

Klar, sonst würde ich es nicht machen! Aber in der Gesellschaft hat das Theater an Relevanz verloren. Wir sind langsam, wir sind dunkel, wir setzen uns mit uns auseinander. Das ist im Vergleich mit der Geschwindigkeit der neuen Medien nicht so sexy.

Christoph Schroth rief in Cottbus das Festival „Zonenrandermutigung“ ins Leben. Ist so etwas auch für Potsdam denkbar?

Wir denken auf jeden Fall darüber nach. Christoph Schroth war mein Mentor, und seine Art, Volkstheater in der Tradition von Benno Besson zu machen, hat mich sehr geprägt. Das ist für mich nach wie vor sehr spannend. Aber eins zu eins übertragen kann man nichts, wir müssen schauen, wie das hier funktionieren kann. Aber Schroths Idee von Volkstheater, einem Theater für die Menschen, ist mir sehr nah.

Das Gespräch führte Lena Schneider

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