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Die ugandische Autorin Jennifer Nansubuga Makumbi, zu Gast bei dem African Book Festival.

© Interkontinental

African Book Festival im Babylon: Neue Erzählungen aus Afrika

Literatur zwischen Herkunft und Pop: Das African Book Festival im Babylon Mitte präsentiert in Lesungen und Panels eine spannende neue Schriftstellergeneration.

Vielleicht ist für den Stand von Literatur aus Afrika in Deutschland nichts so bezeichnend wie die Tatsache, dass nie eine Nation des Kontinents jemals Gastland auf der Frankfurter Buchmesse war. Nur einmal, 1980, war es eine ganze Region. Schwerpunkt: Schwarzafrika. Fast fünfzig Länder, Hunderte von Sprachen, subsumiert als Einheit. Heute taugt das höchstens als Sinnbild für die eigene Ignoranz.

Stellt man sich Literatur des Kontinents und seiner Diaspora als einen Ozean vor, dann ist das, was in Deutschland ankommt, so etwas wie der letzte Tropfen am Ende einer langen Flussgabelung. Es gibt die wunderbare Afrika-Reihe im Verlag Wunderhorn, die jedes Jahr drei Romane von Autoren mit Bezug zu Afrika herausbringt. Die Frankfurter Buchmesse hat den Verein Litprom gegründet, der auch Events zu afrikanischer Literatur veranstaltet. Fischer, Suhrkamp und KiWi schnappen sich vielversprechende Titel von den amerikanischen und britischen Bestsellerlisten. Wenn im Diskurs die Sprache des Westens als Gatekeeper der Literatur fungiert, der entscheidet, was als afrikanisch und was als Kunst gilt, trifft das für Deutschland in doppelter Weise zu. Hierher findet nur das, was sowieso auf dem globalen Markt funktioniert. Und wird dementsprechend vermarktet.

Das African Book Festival, das heute im Kino Babylon startet, will diese Situation ändern. Kaleidoskopartig soll es jährlich eine andere geografische Region in den Vordergrund rücken, das Programm wird dabei von afrikanischer Seite gestaltet. Die dreitägige Veranstaltung bietet eine Mischung aus Lesungen, Performances und Diskussionspanels. Für die Premiere hat die in London lebende nigerianisch-deutsche Schriftstellerin Olumide Popoola die kuratorische Leitung übernommen, mit dem Fokus auf Westafrika und Nigeria.

Chris Abani wird als neue Stimme Nigerias gefeiert

Das Land ist Teil einer spannenden Neupositionierung der Literaturszene. Verlage wie Cassava Republic, deren Gründerin Bibi Bakare-Yusuf auf dem Festival spricht, nehmen die Produktionsmittel längst selbst in die Hand, mit Außenbüros in den Vereinigten Staaten und Großbritannien. Statt Stars über die USA in die Heimat zu importieren – wie es bei der nigerianischen „Americanah“-Autorin Chimamanda Ngozi Adichi geschehen ist – exportiert die Literaturszene ihre Talente ins Ausland. Cassava brachte beispielsweise das erste Buch von Teju Cole heraus, heute ein großer Star des New Yorker Kulturbetriebs.

Diese neue Schriftstellergeneration gräbt mit einer anderen Werkzeugkiste in der fragmentierten Erinnerungslandschaft des Kontinents und seiner Diaspora, bringt neue Erzählungen hervor, anders überliefert. Beispielsweise Headliner Chris Abani. Seine Romane sind tief in den Konflikten Nigerias verwurzelt, trotzdem auch popkulturelle Streiflichter seines Lebens in den USA. Sie beziehen sich genauso auf den Gründervater der modernen afrikanischen Literatur, Chinua Achebe, wie auf Rilke oder die Beat-Poeten. Rasante, tragikomische Geschichten, für die der Nigerianer als neue Stimme seines Landes gefeiert wird. Und hier? Ist es fünfzehn Jahre her, dass mit „GraceLand“ ein Roman von ihm übersetzt wurde.

Hoffnung, dass das Festival seine eigenen Notwendigkeit abschafft

Oder Jennifer Nansubuga Makumbi, die ihr 2014 erschienenes intergenerationelles Drama „Kintu“ vorstellt. Sie erzählt die Geschichte ihres Landes weder über den Verweis auf die britische Kolonialzeit noch auf die Schreckensjahre unter Diktator Idi Amin, sondern über die Verbindung von unmittelbarer Gegenwart und vorkolonialer Vergangenheit. Auch ihr Roman steht auf keiner deutschen Verlagsliste. Wie überhaupt von den Werken nur ein Bruchteil bisher übersetzt wurde.

„Read Outside the Box“ – der Anspruch des Festivals ist ein inhärenter Widerspruch. Denn was ist eine ausschließlich afrikanische Literaturveranstaltung anderes als eine Box eigener Form? Solche Initiativen haben immer wieder die Kritik laut werden lassen, sie führten bloß zur Ghettoisierung dessen, was sie eigentlich befreien wollen. Sowohl die Gründer der jungen Literaturagentur Interkontinental als auch Kuratorin Popoola sind sich dessen bewusst. Am Ende hoffen sie, dass das Festival seine eigene Notwendigkeit abschafft. Es wäre eine historische Pointe: Von Berlin ging im 19. Jahrhundert mit der Kongo-Konferenz die politische und imaginative Erfindung Afrikas aus. Welcher Ort wäre besser für afrikanische Schriftsteller geeignet, um sich die Deutungshoheit zurückzuholen?

African Book Festival, Babylon Mitte, 26.–28. April. Programm unter www.interkontinental.org/de/wim

Giacomo Maihofer

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