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Wer die 10-Cent-Briefmarke nicht ehrt: Das Versenden eines Standardbriefs kostet seit dem 1. Juli 80 Cent.

© Fabian Sommer/dpa

Neue Portokosten bei der Post: Nachricht aus der Postmoderne

Die Post zieht erneut die Preise an, unser Autor verklebt ab heute keine teuren Briefmarken mehr.

Von Andreas Austilat

Die Erbschaft war überschaubar, sie bestand im Wesentlichen aus einer Mappe mit Briefen und 20 Sammelalben mit Marken, die meine Mutter Zeit ihres Lebens wie einen Schatz gehütet hatte. Der Rest ihres bescheidenen Vermögens ging fürs Pflegeheim drauf. Aber ich will mich nicht beklagen.

Gleich der erste Brief, der mir in die Hände fiel, klingt nach einem Beleg für die These, dass die Post Recht hat mit ihrer Behauptung, das Porto sei viel zu billig, die aktuelle Erhöhung zum 1. Juli also vollkommen gerechtfertigt. Ich selbst hatte das Schreiben vor ein paar Jahrzehnten in Griechenland aufgegeben. Kaum hatte ich das dünne Papier entfaltet, erinnerte ich mich an Zeit und Ort. „Mutti“, heißt es darin, „mir geht es gut, leider ist ein Brief nach Hause etwa so teuer wie ein Teller Nudeln. Weshalb du von nun an nicht mehr so oft von mir lesen wirst.“ Umgerechnet in Nudeln sind Briefe heute möglicherweise sogar billiger.

In der Mappe waren noch mehr Briefe. Sie kündeten von dem Versuch, über Kontinente hinweg Kontakt zu halten. „Schreib mir postlagernd nach Merida“, das ist in Mexikos Südprovinz Yucatan, „da bin ich in sechs Wochen. Schreib poste restante auf den Umschlag“. Was für eine Freude war das, solch einen Brief mit einem Haufen Stempel drauf im Postamt vorzufinden.

Im Jemen ziert ein goldener Konrad Adenauer eine Briefmarke

Nun zu den Alben, auch die eine Flaschenpost aus der Vergangenheit. Meine Mutter hat nach Themen gesammelt: Sport, Schiffe, Flugzeuge, Märchen. Und nach Ländern. In einem Album gibt es Marken mit Uwe Seeler und Hans Tilkowski, den Weltmeisterschaftsspielern von 1966, ausgegeben von Ajman, kleinstem der sieben Golfemirate. Der Jemen hat Konrad Adenauer sogar auf Gold gedruckt. Meine Mutter hatte Marken aus Südrhodesien, das Land heißt längst Zimbabwe, Polynesien – und einen Namen, der elektrisiert: Mauritius. Leider ist es nicht die teure blaue, das bunte Bild zeigt Pierre Poivre, der die erste Muskatnuss nach Mauritius geschmuggelt hatte.

Sie hat kleine Zettelchen zwischen die Seiten gelegt, auf denen sie den zu erlösenden Preis notierte. Doch die Hoffnung meiner Mutter, etwas von steigendem Wert geschaffen zu haben, die blieb vergeblich. Der Markt existiert nicht mehr, weil kaum jemand noch sammelt. Mit einer Briefmarkensammlung viel Geld zu erlösen, ist schwer, urteilte die Stiftung Warentest schon 2017. Das gilt besonders für den größten aller Sammler, die Post. Mit einer Portoerhöhung versucht sie nun, mehr Geld in die Kassen zu bringen.

Wenn mich damals schon ein Teller Nudeln vom Schreiben abhielt, muss das Vorhaben scheitern. So werden künftig wohl noch weniger Briefe verschickt. Warum auch, es gibt doch E-Mails. Was schade ist. Diese Botschaften überdauern kaum den nächsten Tag. Aber selbst wenn ich irre und künftig Festplatten vererbt werden, einen Sammlerwert dürften die erst recht nicht erzielen.

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