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Kultur: „Mysterium“

Pirjo Hassinen in der Bibliothek

Bereits in der Schule wusste sie, dass Schreiben ihr wirklich tiefe Befriedigung bereitet. Trotzdem ging sie den Umweg über ein Philosophiestudium, um dann beim leidigen Thema Gelderwerb wiederum die Erfahrung zu machen, dass nur das Schreiben ihre Lebensaufgabe sein kann. Inzwischen hat die Finnin Pirjo Hassinen neun Romane verfasst und zählt zu den bekanntesten und am meisten geschätzten Gegenwartsautorinnen ihres Landes. Und auch hierzulande ist sie keine Unbekannte mehr.

Am Dienstagabend las die zurückhaltende Fünfzigjährige, die in Potsdams Partnerstadt Jyväskylä lebt, in der Stadt- und Landesbibliothek aus ihrem vor zwei Jahren in Deutschland erschienenen Roman „Die Samstagsfrau“ und zog die Zuhörenden schnell in ihren Bann. Nicht nur, weil das Finnische wirklich sehr geheimnisvoll klang, aber für Nichteingeweihte vollkommen unverständlich war, sondern weil die Geschichte von vornherein viel Spannung verspricht. Eines Tages wird eine Anwältin durch einen Anruf unvermutet mit der Vergangenheit konfrontiert. Ein Polizist erklärt ihr, dass die Leiche ihrer vor 22 Jahren spurlos verschwundenen Mutter gefunden worden sei. Rachel war damals dreizehn und deren engste Vertraute. Einer Frau, die sich mit Hilfe einer Vielzahl von Männern der Langeweile ihrer Ehe und dem religiösen Mief der 60er Jahre-Kleinstadt zu entziehen versuchte. Jetzt soll sich die Tochter auf Spurensuche begeben und dem Ermittler bei der Aufklärung des Falls behilflich sein. Für Rachel selbst hatte damals, nach diesem traumatischen Ereignis, eine völlig neue Zeitrechnung begonnen. Sie hatte das Geschehene mehr als zwei Jahrzehnte vollkommen verdrängt.

Was wie ein Kriminalroman anmutet, sei aber keiner, sondern das ganze Gegenteil, äußerte die Autorin im Gespräch mit ihrer deutschen Übersetzerin Meike Frese. Denn in einem Krimi gibt es am Ende die Auflösung des Rätsels. In ihrem Roman sei es aber wie im „wirklichen“ Leben, denn auch da blieben die wichtigen Dinge Mysterien, so ihre philosophische Auslegung. Und dann breitete sie, in leider nur wenigen Passagen, diese Mutter-Tochter-Beziehung vor den Zuhörern aus. Sie findet starke und sinnliche Bilder dafür, wie die Mutter die Weiblichkeit der Tochter früh lenkte und beeinflusste. Und wie fasziniert die Tochter von der erlebten Zweisamkeit und Komplizenschaft ist. Und dabei ganz genau „weiß“, dass die Mutter eines Tages verschwinden wird.

Diese Konstellation übte neben der atmosphärischen Dichte des Geschilderten einen großen Sog auf das Publikum aus. Und wurde noch untermauert durch das aufschlussreiche Gespräch zwischen Autorin und Übersetzerin, die auch schon an der nächsten Romanübersetzung arbeitet. Pirjo Hassinen war sichtlich erfreut, zu Beginn ihrer ersten Deutschlandlesereise, kurz vor Eröffnung der diesjährigen Leipziger Buchmesse, so viel Beifall und Zuspruch in Potsdam zu bekommen. Die Lesung wurde unter anderen organisiert vom Freundeskreis Potsdam-Jyväskylä und dem Berliner Informationszentrum für finnische Literatur. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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