zum Hauptinhalt
Eltern Kinder beten vor dem Essen *** Parents Children pray before the Food Copyright: imageBROKER/OleksandrxLatkun ibxole09565596.jpg Bitte beachten Sie die gesetzlichen Bestimmungen des deutschen Urheberrechtes hinsichtlich der Namensnennung des Fotografen im direkten Umfeld der Veröffentlichung

© IMAGO/imagebroker

Mutterporträts in der Literatur: Streicheln. Schreiben. Festhalten

Von Sylvie Schenk über Wolf Haas bis zu Maxim Biller: Die deutschsprachige Literatur beschäftigt sich gerade gehäuft mit der Suche nach der Herkunft, insbesondere der mütterlicherseits.

Ein Kommentar von Gerrit Bartels

Helga Schubert war unerbittlich, als sie in ihrem Comeback-Buch „Vom Aufstehen“ über ihre Mutter schrieb: „Sie wird jetzt siebenundneunzig. Ich fürchte mich vor ihr. Ich fühle mich bei ihr fremd und ungeliebt und gehe so wenig wie möglich zu ihr. Ich kann gar nicht begreifen, dass sie meine Mutter ist.“

Schubert ging zu diesem Zeitpunkt schon auf die 80 Jahre zu. Ein Fremdheitsgefühl bezüglich der Mutter hat es bei ihr ein Leben lang gegeben, eben weil diese es selbst auf dem Totenbett noch als „Heldentat“ verstand, ihre Tochter in den schwierigen Kriegszeiten weder abgetrieben noch erschossen zu haben.

Handkes „Wunschloses Unglück“

Die Beziehung von Kindern zu ihren Eltern ist ein ewiger Topos in der Literatur. Im Moment aber hat man den Eindruck, sie häufen sich gerade, die Mutterbücher im Gefolge beispielsweise von Schubert, Annie Ernaux („Eine Frau“) oder auch von Peter Handke („Wunschloses Unglück“).

Sylvie Schenk ist mit ihrem vom Verlag als „Roman“ bezeichneten Buch „Maman“ gerade für die Shortlist des Deutschen Buchpreises nominiert worden; Maxim Biller hat mit „Mama Odessa“ seinen vielleicht besten Roman über die gleichermaßen von unverbrüchlicher Liebe wie einer gewissen Gereiztheit geprägten Beziehung eines Schriftstellers zu seiner ebenfalls Geschichten schreibenden Mutter veröffentlicht; und auch der österreichische Schriftsteller und „Brenner“-Erfolgsautor Wolf Haas hat gerade seiner 1923 geborenen und 2018 verstorbenen Mutter mit „Eigentum“ ein Denkmal gesetzt.

Es ist das Schöne an der Literatur, an diesen Büchern, dass sie sich kaum wirklich zu einem Trend zusammenfügen lassen, dass ihre jeweiligen Zugänge völlig andere sind. Liebeserklärungen, Milieustudien, Migrationsgeschichten, Herkunftsvergewisserungen. Vieles kommt darin zusammen, so wie beispielsweise bei Sylvie Schenk: Hier steht die völlig ungeklärte Herkunft der Mutter (deren Mutter während der Geburt starb, Vater unbekannt) im Zentrum der Recherche.

Schenk schreibt, ihr Buch sei eine „letzte Umarmung“, ihr ginge es auch ums „Streicheln. Schreiben. Festhalten“. Zudem überspannt ihr schlankes Buch mehr als ein Jahrhundert, erzählt „Maman“ auch von dem Schicksal der Mutter von Schenks Mutter, überhaupt vom Schicksal mehrerer Frauengenenerationen. Festhalten trifft es gut, das zeichnet all diese Mütterbücher aus.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false