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Ein Mensch, sechs Handschriften. Die Porträts stammen von Bernd Chmura, Christian Fleming, Axel Gundrum, Christian Heinze, Joachim Liebe und Wolf-Dieter Pfennig (v.l.), zu sehen im Café Matschke.

© promo

Kultur: Mut zur Nähe

Die Ausstellung „Vis-à-vis Visage“ im Galeriecafé Matschke zeigt Selbstbildnisse und Porträts – von Malern, schönen Frauen und echten Miezen

Sechsmal haben sie Torge Kieburg abgebildet. Er musste Modell sitzen, und manche der Maler seien ihm ganz schön nah gekommen, als wollten sie jede Pore studieren, sagt Kieburg. Aber der Inhaber des Café Matschke wollte kein Spielverderber sein. Also hat er mit gemacht und ließ sich von den sechs Künstlern, seinen Künstlern, die dort regelmäßig ausstellen und am Stammtisch sitzen, porträtieren – als Beitrag zur neuen Ausstellung „Vis-à-vis Visage“.

Gezeigt werden Selbstbildnisse und Porträts in all ihrer technischen und stilistischen Vielfalt. Detailgetreu, verfremdet oder ironiegeladen, alle erzählen sie eine Geschichte – ein Jahrmarkt der Eitelkeiten.

Dabei haben einige von ihnen mit dem selbstgestellten Thema Porträt anfangs gefremdelt, wo sollten sie so schnell genügend Material zusammenkriegen? Christian Fleming, der sanfte Landschaftsmaler, Christian Heinze, der wilde Landschaftsmaler, und Bernd Chmura, der Karikaturist, der sich unangenehm an Studienzeiten erinnerte, als er Modelle zu zeichnen hatte. Das sei damals gar nicht seins gewesen.

Aber sie wollten das Thema trotzdem und malten, wie eine Übung zum Aufwärmen, erstmal alle Torge Kieburg. Bernd Chmura malte ihn mit verkniffenen Lippen und zartem Lächeln. Christian Fläming erwischte den Wirt von schräg unten, eine feine Bleistiftzeichnung. Axel Gundrum zeichnete mit Kohle, weich und ehrfürchtig. Christian Heinzes Tuschezeichnung machte aus ihm einen blauen Wassermann, Wolf-Dieter Pfennig mit Tempera einen rosigen Wirt im grünen Hemd. Und Joachim Liebe, der Fotograf, zeigt ihn in schwarz-weiß und seltsam überbelichtet, den Fokus dadurch auf Augen und Mund gelegt.

Schräg gegenüber hängt eine ganze Wand mit Selbstporträts von Bernd Chmura. Der Maler hat nicht gemalt sondern sich fotografiert und die Bilder anschließend verfremdet, gespiegelt, verzerrt, zerteilt, mit Farb- und Lichteffekten verändert, Verwirrung gestiftet und den Menschen dabei doch nie außer Acht gelassen.

Christian Fleming hat sich selbst gemalt, als er 20 und 25 Jahre alt war. Düster sind die Bilder, mit grün-blauem Gesicht oder versteckt hinter schwarzen Tupfen. Das aktuelle Selbstporträt zeigt ihn mit schrägem Blick, als würde er vor einer Staffelei stehen – stille Zeitdokumente. Ganz anders Christian Heinze, der sich selbst frontal gemalt hat, ein gestandener Mann mit dichtem grauen Haar, der Hintergrund seltsam konfettibunt, als wolle er sich darin verstecken. Drumherum ein fetter goldfarbener Rahmen – in dem alles verschwindet. Ironie? Wunschdenken? Ein Traum?

Porträts seien so eine Sache, sagt Axel Gundrum. Sie wollen etwas mitteilen über den Menschen oder etwas dokumentieren, als Maler ist man da in einer gewissen Verantwortung. Ihm gelingen sie am besten, solange der Porträtierte noch Träume hat, sagt er. Solange noch etwas offen sei im Leben. Er malte sich selbst vor Jahren als Mann, der mit Tropenhut, flügelschwingendem Papagei auf der Schulter und einem kleinen, fast zu übersehenden Vogel auf der Hand posiert. Jemand, der selbstbewusst auftreten möchte, aber es doch nicht ist. Er, der gerne exotisch und surreal inszeniert, sei im Grunde ein bisschen schüchtern, sagt er. Auch als Maler. Wenn er jemanden sieht, den er malen möchte, fehle ihm oft der Mut, die Person anzusprechen. „Ich möchte eigentlich kein Voyeur sein.“ Aber für ein Porträt braucht es nun mal Nähe, das muss man mögen. Und am Ende müssen der Maler und das Modell zufrieden sein.

Davon träumen sie als Maler: Dass eines Tages jemand zu ihnen kommt und genau von ihnen gemalt werden will. Weil er die Handschrift des Maler schätzt – und sich ihm gerne ausliefert.

Wolf-Dieter Pfennig scheint mit seiner Leichtigkeit alles festhalten zu können, auch Tiere. Der Potsdamer Maler und Grafiker ist bekannt für seine wilden, witzigen oder erotischen Zeichnungen, gern mit reduzierten Einsatz von Farbe und Pinselstrich, Karikaturen fast. Für „Vis-à-vis Visage“ hat er ein Frauenbild – Dame mit vollem roten Mund und turmhoch Blumen auf dem Kopf – mit plakativen Katzenporträts kombiniert. Wie Menschen sitzen sie im Bild, Kopf und Schultern geradeaus oder leicht im Profil, mit würdevollem Blick. Man muss sie ernst nehmen.

Christian Heinze zeigt Frauenbildnisse. Der Maler vom Heiligen See, der oft Blau- und Grüntöne verarbeitet, holt für Frauen warme, sinnliche Rottöne heraus, für hitzige, fiebrige Gesichter und Schönheiten nach klassischen Vorlagen. Ein Fotograf habe es einfacher, wenn es um Porträts geht, meinen die Maler. „Er muss den Leuten nicht so auf die Pelle rücken“, sagt Bernd Chmura, und spontane Schnappschüsse seien meistens spannendere Aufnahmen als ein inszeniertes Porträt. Joachim Liebe kann und zeigt beides. Einen sinnlichen Frauen-Halbakt und daneben einen russischen Soldaten in Paradeuniform, der selbstbewusst, fast grimmig zur Seite schaut – hinüber zur nackten Frau.

Café Matschke, Alleestraße 10, bis 16. Juli. Geöffnet Pfingstmontag, sonst Dienstag bis Sonntag. Bis 27. August ist zudem die Sonderausstellung mit Werken des kürzlich verstorbenen Cartoon-Künstlers Felix Chmura (Mynok) zu sehen

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