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Kassetten aus der Privatsammlung.

© Nadine Lange

Musik teilen: Kannst du mir das aufnehmen?

Playlists haben Mixtapes ersetzt. Doch was tun, wenn die Freund*innen kein Streaming-Abo haben oder bei einem anderen Dienst sind?

Eine Kolumne von Nadine Lange

Als die Kassette kürzlich ihren 60. Geburtstag feierte, musste ich an die Holzbox denken, die im untersten Fach meines Plattenregals verstaubt. Darin befindet sich eine kleine Kassetten-Kollektion, von der ich mich irgendwie nicht trennen kann. Das gilt insbesondere für die Exemplare, die meine Freundin Sonja aufgenommen hat.

Sie war die Mixtape-Meisterin meiner Jugend. Wir spielten in Leverkusen im selben Hockeyteam und waren auch abseits des Platzes befreundet. Popmusik war ein wichtiges Thema, wir spielten uns Bands vor, nahmen Kassetten auf und versuchten, diese möglichst häufig in den Rekordern der Autos und Busse unterzubringen, mit denen wir zu Auswärtsspielen fuhren.

Sonja, mit der ich bis heute befreundet bin, hat oft die Hüllen der Kassetten sehr liebevoll gestaltet. Das in Sepia-Tönen gehaltene Glam-Porträt eines Models ziert eine Kassette, auf der sich Songs von Project Pitchfork, Prodigy, Vast, Wall of Voodoo und anderen befinden.

Eine schwarz-weiße Schneeszenerie diente als Cover für eine Mischung aus Westworld-Songs auf der A-Seite, Human League, Bronski Beat, The Essence und Fehlfarben auf der B-Seite. Vor allem in letztere würde ich gern mal reinhören, aber leider ist mein Kassettendeck schon lange in der Abstellkammer verschwunden. Ich könnte den Mix natürlich in einer Playlist bei meinem Streamingdienst nachbauen, aber irgendwie wäre das nicht dasselbe.

Playlists sind die Mixtapes der Gegenwart. Und es geht deutlich schneller, sie zusammenzustellen oder zu versenden. Aber es ergeben sich auch neue Probleme: Im Sommer ließ ich während einer Floßfahrt mit Freundinnen auf einer kleinen Bluetooth-Box einige meiner Playlists laufen. Irgendwas Leichtes, halbwegs Aktuelles zwischen Miley Cyrus und Little Simz. Nach einiger Zeit fragte eine Freundin, ob ich ihr den Mix zukommen lassen könnte. Reflexhaft sagte ich: Ja, klar. Doch dann fiel uns auf, dass sie gar kein Streaming-Abo hat. Sie hört Radio, Platten und CDs.

Eine Technikbarriere, die ich nur durch Schummeln umgehen konnte: Ich kramte einen alten Rechner mit CD-Laufwerk aus der Abstellkammer und durchforstete die auf der Festplatte verschüttete Musik. Es wurde dann ein völlig anderer Mix als der, den wir auf dem Floß gehört haben. Musik aus fernen Sommern – überkommene Technik macht’s möglich.

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