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Kultur: Musik, die zu Herzen geht

Sephardische Lieder in den Neuen Kammern

„Er ist mein Halt, auf Ihn vertraue ich, auf Ihn in der Höhe.“ So sangen sich die Sepharden, eine Gruppe innerhalb des Judentums, die vom ersten Jahrhundert an bis um 1500 in Spanien lebten, Mut zu. Die katholischen Herrscher Isabella und Ferdinand zwangen sie zur Annahme des christlichen Glaubens oder zum Verlassen ihres Heimatlandes innerhalb weniger Wochen. Die meisten Sepharden flohen, vor allem ins Osmanische Reich, in die heutige Türkei, und nach Nordafrika. Ihre spanischen Wurzeln haben sie aber in ihrer Kultur bewahrt, bis heute. Spanien blieb in ihren Herzen. Ihre Musik, besonders die Lieder, wurde mündlich von Generation zu Generation weiter gegeben. Sie integrierten aber auch Stile der jeweiligen Regionen, in denen sie eine neue Heimat fanden. Und so findet man in ihnen Anklänge an Flamenco, an türkische und nordafrikanische Musik, und manches Lied könnte auch eine traurige Zigeunerweise sein. Ihr Beitrag für eine übergreifende, übernationale, überkonfessionelle und überreligiöse Mittelmeerkultur ist nicht zu unterschätzen.

Nun konnte man in den Neuen Kammern im Park Sanssouci innerhalb der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci Lieder der sephardischen Juden hören. Die Festspiele machen es auf eindrucksvolle Weise möglich, dass der fruchtbare Dialog zwischen Kulturen und Künsten lebendig wird. In diesem Jahr die des Mittelmeerraums. Das Ensemble Me La Amargates TÚ, in dem sich junge Musiker aus Südamerika, Europa und Israel zusammenfanden, machte in seinem Festspiel-Konzert deutlich, was der russische Komponist einmal sagte: „Jede Volksmusik ist schön, aber von der Jüdischen muss ich sagen, sie ist einzigartig!“ Die Lieder, die die Künstler darboten, handeln in ausdrucksstarken und poetischen Bildern von dem Leid und den Freuden der Liebe. Es sind Lieder für melancholische Herzen. Doch auch Fröhliches, Übermütiges und Spirituelles wurde gesungen und musiziert. Die traditionellen Volkslieder haben zumeist Strophenform und die Texte sind in Ladino verfasst, einer romanischen Sprache, die an das Spanische erinnert.

Dass die Musik ganz unmittelbar zu Herzen ging, lag in erster Linie an dem Sänger Esteban Manzano. Mit seiner warmen und sinnlichen Stimme, mit der er auch ein wunderschönes Piano zu singen vermag, wusste er die traurig-melancholischen sowie die lebensfrohen Charaktere der Lieder ausdrucksstark zu interpretieren. Dass die Lieder, die im Ton durchaus ähnlich sind, nicht langweilig werden, obwohl ihnen einfache Melodien in Strophenform zugrunde liegen, liegt nicht nur an der Schönheit der Melodien oder der Variationsfähigkeit und Ausdruckskraft des Sängers, sondern auch an der Begleitung. Die exzellenten Musiker Doret Florentin, Tulio Rondon, Sarah Ridy und Juan Martinez, die mit Blockflöte, Viola da gamba, Harfe und verschiedenen Perkussionsinstrumenten aufwarteten, machten jedes Lied zu einer kleinen Kostbarkeit. Dass dabei nichts nach billiger Folklore klang, war dem fantasievollen und abwechslungsreichen Musizieren geschuldet. Auch die rein instrumentalen Beiträge mit Villanellen und Recercadas altspanischer Komponisten wurden meisterlich musiziert. Das Publikum war dankbar für dieses Erkunden in die Welt der sephardischen Lieder und spendete langen Applaus. Klaus Büstrin

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