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Kultur: Mord und Schönheit

Wandertheater Ton und Kirschen mit „Hamlet“ auf dem Pfingstberg

Der Pfingstberg ist ein Shakespeare-Ort. Das haben die vergangenen Sommer gezeigt. Die Inszenierungen des Poetenpacks zogen in der Vergangenheit immer zahlreiche Besucher in ihren Bann. Doch während die Potsdamer Theatergruppe vor allem mit den Komödien des großen Meisters gastierte, hat die multikulturelle Truppe „Ton und Kirschen“ aus dem nahen Glindow in diesem Jahr die Tragödie schlechthin im Repertoire: „Hamlet, Prinz von Dänemark“, die bereits zur Premiere im vergangenen Jahr in Glindow enthusiastisch gefeiert wurde.

Bereits eine halbe Stunde vor Beginn der ersten Aufführung am Donnerstagabend, sind fast alle Plätze in dem kleinen Halbrund aus Holzbänken und Klappstühlen hinter dem Belvedere am Pfingstberg besetzt. Aber immer noch strömen die Besucher und die Organisatoren kommen nicht umhin, die Sitzreihen bis unmittelbar vor die schlichte schwarze Holzbühne auszudehnen. An beiden Bühnenrändern sind ebenfalls jeweils drei Stühle postiert, doch die bleiben den Schauspielern vorbehalten. Riesige rostige Stahlplatten, die wie Paravents wirken und dazwischen ein Bauzaun. Das ist alles, was den Ort des kommenden dramatischen Geschehens eingrenzt. Und darüber „schwebt“ das königliche Belvedere in der wechselnden Beleuchtung der sommerlich warmen, aufkommenden Abenddämmerung.

Doch zuerst einmal erobern sieben Akteure, die insgesamt 16 Rollen spielen werden, unter Juchzen und Gelächter die leere Bühne: Allen voran Hamlets Mutter und Onkel Claudius beim verliebten Fangenspiel. Wenn man nicht schon wüsste, dass diesem jungen Glück ein hinterhältiger Brudermord vorangegangen ist, könnte man unbeschwert mitlachen. Und so sollte es einem zwei Stunden lang immer wieder gehen. Denn das Alphabet von Mord und Schönheit, von Komik und Tragik, von Lebenslust und Todessehnsucht, dass hier textlich entschlackt, dramaturgisch pointiert und spielerisch gekonnt unter der Regie von Margarete Biereye und David Johnston durchdekliniert wird, stößt ab und zieht an zugleich.

Dazu tragen vor allem die aus dem Ensemble herausragenden schauspielerischen Leistungen von Richard Henschel als jugendlich ungestümer Rächer Hamlet und von Julia Brömsel als langsam in die Verzweiflung abdriftende Ophelia bei. Berührend auch Margarete Biereye, die als untreue Königingattin in der immer heftiger werdenden Auseinandersetzung mit ihrem Sohn doch noch die eigene Schuld begreift. Wunderbare Gratwanderungen zwischen Tragik und Komik gelingen David Johnston als Minister Polonius und Nelson Leon als dessen Sohn Laertes. Und obendrauf gibt es noch eine äußerst skurrile Totengräberszene. Zwerchfellerschütternd und verry british vor dem abschließenden Gemetzel, dass selbst wie eine betont sportliche Theateraufführung daherkommt.

Überhaupt das Theater. Ton und Kirschen zieht alle Register. Masken aus Bali und Korea, altorientalische und afrikanische Instrumente, die von Mohamed Askari zum Klingen gebracht werden und vor allem diese sieben „eingefleischten“ Wanderschauspieler selbst lassen den Zuschauer erfahren, welche Macht dieses Spiel auch heute noch haben kann. Nahezu regungslos lauschten jung und alt dem universellen Text, der trotz verschiedener verwendeter Übersetzungen erstaunlich homogen wirkt und sie lachen immer wieder befreit auf, wenn die wahnwitzige Szenerie von einem Moment auf den anderen ins derb Komische kippt.

Und der Rest? Ist Schweigen? Beifall brandet auf, als sich der „Vorhang“ über die Toten senkt. Und von oben bezeugen nur das stumme Belvedere und der klare Sternenhimmel das zutiefst menschliche Geschehen in der abgekühlten Abendluft.

Nächste Vorstellungen heute und vom 21. bis 23. 8., 20 Uhr auf dem Pfingstberg.

Astrid Priebs-Tröger

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