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Kultur: Mondsüchtig

Gelungenes Vollmondfest in der fabrik

Eigentlich müsste der Mond „die Mond“ heißen. Denn „sie“ ist schließlich in der Mythologie mit weiblichen Göttinnen (la Luna, Diana) gleichgesetzt und soll erheblichen Einfluss auf den weiblichen Zyklus haben. Schon immer blickt die Menschheit in den Mond, erkennt den Mann darin (was ja ein weiterer Beweis „seiner“ Weiblichkeit ist) und wenn der Vollmond von einer Finsternis heimgesucht wird, wie das am Donnerstag der Fall war, dann werden noch heutzutage viele mondsüchtig.

Diesen Umstand machte sich am Samstag die fabrik zunutze und feierte mit „La Luna“ ihr eigenes Vollmondfest. Zuerst waren natürlich die Kinder dran, die noch vor Mondaufgang, dafür aber im dunklen Raum der fabrik mit fast schwerelosen Ballons spielen oder gar ihren eigenen Planeten bauen und sich nebenan wie auf dem Mond ablichten lassen durften. Heike Isenmann ließ ihre Kosmonauten in Raumanzügen auf einem Kraterhügel landen, hinter sich hatten sie das Universum und groß darin die blaue Erde.

Diese spielte dann auch wieder eine Rolle in mimischen „Space Panorama“ von Andrew Dawson. Schwarz gekleidet stand er hinter einem schwarzen Tisch auf der Bühne und außer einem Lichtkegel, in dem vor allem seine Hände die Protagonisten waren, und der Musik aus dem Off gab es keine weiteren Requisiten. Sehr schön symbolisierte er mit seinen ungemein flinken Fingern die Entfernung des Mondes zur Erde, auf der es Städte, Berge, Seen und Wälder gibt, und auch Schmetterlinge. Da wurden seine Hände zu den gleichmütigen Flügeln der Schmetterlinge, nachdem sie in hohem Bogen die Berge und in kleineren Rundungen die Seen dargestellt hatten. Dann aber präsentierte er eine ans Wunderbare grenzenden Märchenversion der amerikanischen Raumfahrt, und die Poesie seiner Hände verlor sich häufig in der allzu dräuenden, monumental-amerikanischen Filmmusik. Doch das Publikum war“s zufrieden.

Es durfte aber eine halbe Stunde später eine weitaus differenziertere Version des Mondmythos und all unserer sowjetisch-amerikanischen Heldengeschichte der Raumfahrt musikalisch versiert erleben. Das Trio „Schinkelkiliusdutschke“ bot eine absurd-tiefgründige Show, in der eine Luftmatratze, die Texte von Galileo Galilei, die Mondscheinsonate, ungleich große Kugeln, ein aufblasbarer Sessel und natürlich die drei Sänger, Tänzer und Textaufsager wesentliche Rollen spielten. Ein bisschen nach dem Beginn rollten die Kugeln auf dem Bühnenboden herum, und die tollen Jungs rannten in Ellipsen ihre Bahnen, so dass selbst der arme Mond ins Trudeln geraten konnte. Sie gingen recht despektierlich, aber witzig und intelligent mit Matthias Claudius um, dessen „Der Mond ist aufgegangen“ gegen die Wand gesungen und immer wieder unterbrochen wurde. Auch sie thematisierten die Raumfahrt, aber ganz anders als Andrew Dawson, denn die drei tollkühnen jungen Männer, die sich ab und zu auch einfach ein bisschen balgten wie junge Hunde, erinnerten an die Hunde, die die Sowjets in den Weltraum geschossen hatten, vor allem an Laika, die elend verglühte – und an die Affen, die die US-Amerikaner dem großen weiten Weltraum anheim gegeben hatten. Galileo musste seine These gegen die Luftmatratze skandieren und erhielt von der anderen Seite der luftigen Matte Prügel, ließ sich aber nicht unterkriegen und schlug auch immer mal gegen das weiche Gummi. Das war sehr heiter, und die Assoziationen, die die drei Lunatiker zwischen Romantik, Raumfahrt und Mondbegeisterung mit kindlicher Unbefangenheit zu erzeugen wussten, ließen das Publikum nicht nur lachen, sondern auch nachdenken.

Ganz schön war, als sie zu dritt hintereinander aufgereiht das absurde spanische Lied „La luna llena“ (Vollmond) a capella sangen und die Verse, die zunächst ein herkömmliches Liebeslied anspielten (dein Herz mit meinem) in die fantastische Aussage mündeten, dass das singende Ich doch saubere Wäsche trage, schließlich habe er sie gestern erst gewaschen. Das hat vielleicht auch was mit Weiblichkeit zu tun, aber auf diese Weise verzaubert verzieh man es dem Himmel sogar, dass er an dem Abend nur wenig Mond erkennen ließ. Lore Bardens

Lore Bardens

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