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Lebensnah. Die Terrakotta-Skulpturen von Heike Adner.

© Promo

Kultur: Menschlich, göttlich und weiblich

Terrakotta-Plastiken und Zeichnungen von Heike Adner im Pomonatempel auf dem Pfingstberg

Nach seiner Innen-Renovierung im letzten Jahr ist Schinkels Pomonatempel auf dem Pfingstberg fast nicht wiederzuerkennen. Laszives Azur bestimmt sein Inneres jetzt, kein Vergleich zur lichtverdunkelten Zeit früherer Jahre! Ein hervorragendes Ambiente für das vierteilige Ausstellungskonzept des Fördervereins Pfingstberg 2012, nur ein bisschen klein.

Am Wochenende wurde die neue Saison dort oben mit leicht diebischem Lächeln eröffnet: Endlich mal jemand, der den uralten Fritz in seinem Jubeljahr ignoriert und Pomonas Gefolge den Vortritt lässt. Nach mediterranem Verständnis ist die Ewigjunge gleichsam für frisches Obst und Erntefreuden in jeder Lebenslage zuständig. Zwei Potsdamer und zwei Berliner Künstlerinnen wurden erwählt, behufs eigener „Tempeleien“ die „Verzauberung“ jener hohen Gestalt zu versuchen.

Den Anfang macht nun Heike Adner mit fünf Terrakotta-Plastiken und diversen Zeichnungen. Doch schafft sie Figürliches nicht etwa nach Art der Alten, wie man es von der Antike oder aus Sanssouci kennt. Bei ihr thront nichts und ringt nichts, auch gehauen wie gestochen wird nicht auf dem hohen Berge. Die Glienickerin geht anders an die Sache heran. Fast nach hermetischem Vorbild sucht sie die Frau in der Göttin, die Göttin in jeder Frau heute. Nach ihrer Arbeitshypothese sind die Worte menschlich, göttlich und weiblich eines, zumal sie die ganze Götterwelt ohnehin für eine rein irdische Erfindung hält. Sie fragt mit ihren „Göttinnen 2000“ nach Wert und Bedeutung von Zeit, wenn sich die Themen des Menschseins ja doch „immerwährend wiederholen“, glaubt an eine „Erblast von Anbeginn“, ärgert sich über das unnötige Gegeneinander der Geschlechter. Ihr Credo ist gesamtmenschlich: Miteinander auf Augenhöhe, kein Matriarchat – kein Patriarchat! Damit ist sie meilenfern von allen kecken Soufragetten.

Ohne dieses und weiteres Wissen sieht man in Pomonens Tempelchen zuerst einmal gar nicht so viel, nur diese gegenwarts- und lebensnahen Terrakotta-Skulpturen der kurzbeschürzten „Lia“, das Brustbild von „Luise“, die lebensgroße „Kora“ mit dem Granatapfel und einer sie beschirmenden Riesenblüte, eine hochmütig herabblickende Selene mit Mondsichelhut und ein paar hübsche Zeichnungen an der Wand.

Angemessene Rezeption? Mein Gott, wer schleppt denn schon die halbe Antike bergaufwärts, doch höchsten Sisyphos, Vater des Glaukos! Heike Adner geht es freilich gar nicht um solches Geschnurre, eher um „das unbewusste Erbe“ aus jener Zeit, von ihr kurzweg „Erblast“ genannt – und trotzdem nicht bierernst zu nehmen.

Vielleicht fehlt der einen oder anderen Figur noch jenes gewisse Etwas, das solch hohe Ideen ausdrücken kann. Heike Adners Konzept ist nicht nur produktiv, es ist geradezu vorbildlich. Sie fängt nämlich weder beim Außen der Gesellschaft noch beim Manne an, sondern innen bei sich selbst: Sie weiß, wie dicht in jedem weiblichen Corpus Angst und Zerbrechlichkeit, Unbewusstes und Überbewusstes, Anbetungswürdiges und Verlangendes, Schaffendes und Zerstörerisches wohnen. Dieses Getrennte in Einem will sie nun nicht nur kitten, es soll gleich auch das Heil aller retten, denn ist der weibliche Teil der Schöpfung erst mal veredelt und also gerettet, ergibt sich der Rest schon von selbst. Hübsche Idee, ziemlich verrückt. Nicht also, um der Pomona zu imponieren, macht sie die Frauen zu „Göttinnen“, eher wollen sie selbst in dieser Gestalt noch dem Mannsvolk gefallen. Doch ach, man erkennt zwar die hohe Würde, doch sehen sie trotzdem nicht eher irdisch aus, und nur wenig „olympisch“? Genau dies ist der Punkt für die Rezeption – die Rückkehr zum Alltag, ins Jahr 2000.

In himmelblauen Tempelchen geht es also gar nicht um die Frage, mit welchen „Tempeleien“ Pomona am besten zu beeindrucken sei, hier wird mit künstlerischen Mitteln ein „neuer Gesellschaftsversuch“ geprobt: „Kein Matriarchat - kein Patriarchat!“ – nur Liebe kann alle Gegensätze einen. Wenn’s der Mann nicht bringt, muss eben die Frau ran!

Möglicherweise wird man von dieser Idee mehr beeindruckt sein als von den Figuren, in echt weiblicher Art scheinen sie ihre zauberisch-verzaubernden Fähigkeiten eher zu verbergen. Vielleicht sollte man Zitate aus Adners Konzeptblock im Raume verstreuen: „Frauen heute zwischen Stärke und Verletzlichkeit/ Heilige – Hure/ Suche nach Wiedervereinigung aller Seiten der Weiblichkeit – Frauen brauchen Mut dies zu leben, Männer brauchen Mut, das zuzulassen“. Na, wem sagte man das. Gerold Paul

Bis 20. Mai, an Wochenenden und Feiertagen 15-18 Uhr geöffnet, Eintritt frei

Gerold Paul

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