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Kultur: „Mein schönste Zier“

Facettenreiches Programm „Musik und Reformation“ in der Friedenskirche mit den Kirchenchöre aus Werder an der Havel, Potsdam-Eiche und der Pfingstkirche

In grauer Vorzeit, vor 500 Jahren, war die Musik der Herzschlag einer neu anbrechenden Zeitenwende, der Reformation. Auf dieses Jubiläum bereitet sich die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) seit Langem vor. Nach ihrem Willen sollen nun also Kirchen klingen. Können sie es: an „366 + 1“ Tagen dieses Schaltjahres, mit musikalischen Gottesdiensten, Abendmusiken, Konzerten ? Dabei soll vom schlichten Chorsatz über Kirchenlied und Orgelvorspiel bis hin zu Instrumentalklängen der ganze Reichtum protestantischer Musik erklingen. Mit diesen Beigaben fand am Montag der 282. Schatzhebetag in der Friedenskirche statt. Er stand unter dem Wochenmotto „Mein schönste Zier“. Das Programm dazu hatte Pfingstkirchenkantor Matthias Trommer zu einer nachdenklich stimmenden, facettenreichen, klanglich vielfältigen, dennoch protestantisch-bescheidenen Abendmusik mit Lesungen gestaltet.

Zunächst traktiert er die Woehl-Orgel, um Johann Sebastian Bachs Choralbearbeitung „Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr“ BWV 715 klangmächtig, jedoch ohne viel Pathos erklingen zu lassen. Dann greift er in die Keyboardtasten, um den Mitgliedern der Kirchenchöre aus Werder an der Havel, Potsdam-Eiche und der Pfingstkirche beim klangvollen Vortrag des mottogebenden Calvisius’schen Kirchenliedes „Mein schönste Zier“ die entsprechend reizvolle Cembalo-Unterstützung zu gewähren. Die erfahren auch die vier Sängerinnen der Schola Cantricium Potsdam beim Vortrag von des Meisters mehrstimmiger, stimmungsfreudiger Psalmvertonung „Von allen Seiten umgibst du mich“ und des sich wunderschön verwebenden Stimmengeflechts beim „Schweige und höre“-Gebot. Das Publikum hält sich daran, die Sängerinnen erfreulicherweise nicht. Dass Trommer noch nach alter Kantorentradition zu komponieren versteht, beweist auf sehr beeindruckende Art auch seine musikalische Exegese der „Sintflut“ mit unüberhörbarem Messiaenschen Klangvorbild. Text (Frieder Burkhardt) und Musik führen einen beklemmenden Dialog, der an apokalyptischer Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Klaus Büstrin liest den biblischen Vernichtungsplan Gottes und dessen Realisierung sehr prägnant. Einfühlsam dagegen sein Vortrag schlichter Gedankenpoesie über die kleinen täglichen Lebensdinge, von Dankbarkeit und Nachtwanderern und anderen seelischen Befindlichkeiten.

Zusammen mit Jens Osterland und Dirk Reinecken bildet Matthias Trommer ein originelles Keyboardtrio, das Bachs G-Dur-Trio BWV 586 und Choralbearbeitung „Wir glauben all‘ an einen Gott“ BWV 749 neue und aparte Registerfarben bis hin zu gezupftem Kontrabass und singender Gambensanftmut abgewinnt. Durchaus in den Rahmen, aber leider nicht in den akustischen Kirchenraum passend die Darbietungen des Trio „La Sonnerie“ mit Hannes Immelmann (Traversflöte), Juliane Laake (Gambe) und Christine Kessler (Cembalo). Besinnliche Sätze aus der Bachschen Triosonate G-Dur BWV 1039 und einem Telemannschen D-Dur-Konzert sind instrumentenbedingt überaus leise angestimmt und leiden innovatorisch unter der Kühle des Gotteshauses. Jazziges und Swingendes sorgt für herzerwärmendes Heutiges, bis Schulz‘ „Der Mond ist aufgegangen“ den besinnlichen Abschluss bildet. Fazit: Kirche klingt tatsächlich! Peter Buske

Peter Buske

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