zum Hauptinhalt

Kultur: Mehr als nur Aufarbeitung der Stasi Ulrike Poppe sprach im T-Werk

Versöhnung braucht Wahrheit und Wahrheit kann man nicht erzwingen. Das war eine der Kernaussagen von Ulrike Poppe am Mittwoch im T-Werk, wohin sie von der Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg unter dem Motto „Wie viel Wahrheit verträgt dieses Land?

Versöhnung braucht Wahrheit und Wahrheit kann man nicht erzwingen. Das war eine der Kernaussagen von Ulrike Poppe am Mittwoch im T-Werk, wohin sie von der Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg unter dem Motto „Wie viel Wahrheit verträgt dieses Land? Stasi-Aufarbeitung in Brandenburg“ eingeladen war. Etwa 100 Zuhörer waren gekommen, um Ulrike Poppes Ausführungen zu hören, die sich keineswegs nur als Stasibeauftragte, sondern, wie ihr Amt auch offiziell heißt, als Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, versteht.

Die 57-Jährige machte schnell deutlich, dass es ihr darum geht, umfassend die Strukturen und Herrschaftsmechanismen der SED-Diktatur zu beleuchten, dadurch eine größere Differenzierung im Umgang mit DDR-Geschichte zu erreichen und die Urteilsfähigkeit der Bevölkerung zu erhöhen. Mehrfach betonte sie ihre überparteiliche Funktion, die beispielsweise einer Beteiligung an den Montagsdemonstrationen, wie aus dem Publikum gefordert, im Wege steht.

Dass ihr die geschichtliche Bildung der Schüler in Brandenburg am Herzen liegt, machte sie auch in der folgenden einstündigen, zum Teil emotionsgeladenen Publikumsdiskussion, in der Wut und Bitterkeit ob des „Brandenburger Weges“ der letzten 20 Jahre mitschwangen, deutlich. Durch ihre Erfahrungen an den Schulen habe sie gelernt, dass Schüler, die etwas über die Vergangenheit wissen wollen, in einem Zwiespalt stecken. Denn sie bekommen das offiziell vermittelte, oftmals verkürzte DDR-Geschichtsbild mit den Erzählungen aus dem Alltag ihrer Eltern und Großeltern nicht zusammen. Misstrauen und Verweigerung seien die Folgen.

Wie funktioniert der Alltag einer Diktatur, in der sich ein Großteil der Bevölkerung eingerichtet hat? Das sei eine Fragestellung, um das gesamte System der Repression in den Blick zu nehmen. Und nicht, wie mit der Konzentration auf die Rolle der Staatssicherheit, lediglich die Spitzen des Eisberges zu betrachten. Poppe erzählte, dass Joachim Gauck Schülern inzwischen hauptsächlich von den eigenen Schulerfahrungen berichtet, und damit den Alltag der Diktatur für sie nachvollziehbar erhellt. Nach mehreren Einwürfen, die auch Beurteilungen der OB-Kanditatur Scharfenbergs und der Politik Platzeck einforderten, zog sie mit Fingerspitzengefühl und Konsequenz eine Grenze zwischen den kommenden Aufgaben des Amtes und ihrem Auftritt am Mittwochabend.

Und demonstrierte eindrucksvoll, wie sie ihr neues Amt auszufüllen gedenkt. Dass sie die notwendigen Erfahrungen dafür hat, kam in der Darstellung ihrer eigenen Entwicklung mehr als einmal zum Ausdruck, besonders nachvollziehbar in den Episoden über Markus Wolf, Gregor Gysi und Ibrahim Böhme. Gemeinsam mit Moderator Wolfgang Templin sprach sie sich gegen die Gleichsetzung beider deutscher Diktaturen aus, und bekam Beifall, den Zivilisationsbruch in beiden klar als Gemeinsamkeit zu benennen. Ziel ihrer Arbeit sei kein einheitliches DDR-Bild, sondern mit Bezug auf den Philosophen Jürgen Habermas, eine antitotalitär ausgerichtete Konsensfindung in der Gesellschaft. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false