zum Hauptinhalt
Artemisia Gentileschis „Büßende Maria Magdalena“ (1622-25).

© Privatsammlung, Norfolk, UK, Foto: Denisa Ilie

„Maestras“-Schau im Remagener Arp Museum: Die Männer beim Schopf gepackt

Julia Wallner, seit 2022 neue Direktorin, zeigt mit ihrer Ausstellung die bislang unterschätzte Leistung von Künstlerinnen seit dem Mittelalter.

Von Helga Meister

Seit August 2022 wirkt Julia Wallner als Direktorin des Arp Museums Bahnhof Rolandseck in Remagen. Und auch an ihrem neuen Standort beweist die Kolbe-Spezialistin, die zuvor das Berliner Museum des Bildhauers leitete, wie lehrreich ein neuer Blick auf die Kunstgeschichte sein kann. Die von Susanne Blöcker kuratierte „Maestras“-Ausstellung zeigt Werke von 51 Künstlerinnen aus acht Jahrhunderten.

Die neue Chefin hat ganz bewusst die Vier-Millionen-Metropole für die Idylle am Rhein getauscht. Bei einer Begegnung in den Ausstellungsräumen erklärt sie, dass sie nach zehn Jahren im Amt befürchtet habe, „Frau Kolbe“ zu werden: „Dann ist man keine neutrale Person mehr.“ Ähnlich wie das Berliner Haus sei das Arp-Museum ein Ausflugsziel, das Publikum komme nicht nur aus dem Rheinland, sondern auch aus den Niederlanden.

„Zu was eine Frau fähig ist“

Die „Maestras“-Ausstellung folgt dem Trend, dem Kunstbetrieb durch Kunst von Frauen neue Impulse zu geben. So hat die Biennale-Chefkuratorin Cecilia Alemani 2022 in Venedig die erstaunlich freien Künstlerinnen seit den 1930er Jahren vorgeführt. In „Maestras“ wird nun die italienische Barock-Malerin Artemisia Gentileschi zitiert: „Ich werde Ihnen zeigen, zu was eine Frau fähig ist.“

In prachtvollem Gewand: Maddalena Corvina im Selbstporträt (Mitte 17. Jahrhundert).

© Privatsammlung, Norfolk, UK, Foto: Denisa Ilie

Der Parcours gleicht einem Triumphzug. Er geht bis zu den Nonnenklöstern des Mittelalters zurück, als die Dominikanerin Plautilla Nelli in Florenz eine professionelle Malerwerkstatt einrichtete, ihre eigenen Werke signierte und junge Mitschwestern unterrichtete.

In der Rolle der schönen Judith

Spannend wird es in der italienischen Renaissance. Damals verdrehten die Malerinnen den Männern systematisch den Kopf und betörten die betuchten Käufer mit ihren Selbstinszenierungen. Dafür schlüpften sie sogar in die Rolle der jungen, schönen Judith, die den Belagerer Holofernes enthauptete und damit die jüdische Festung Betylua befreite.

In ihren Inszenierungen statteten sie sich prächtig aus, wie Herrscherinnen in Palästen. Den Mann packten sie als abgeschlagenen Kopf des Holofernes am Schopf. Gelobt aber wurden die Künstlerinnen für ihre naturalistische Wiedergabe, ihren Erfindungsreichtum und ihre Sensibilität.

Lavinia Fontana (1552 bis 1614) etwa wusste schon als Jugendliche, was sie wert ist. Die Tochter eines angesehenen Bologneser Malers übernahm die väterliche Werkstatt und hüllte sich selbst als Modell in schimmernde Seide und transparenten Tüll.

Per Ehevertrag übertrug sie dem Gatten die Kinder und Finanzen. Ihre Kunst sicherte das Einkommen der Familie, von den elf Kindern überlebten drei. Ein Bild zeigt sie als Heroine mit Schwert in königliches Rot gehüllt.

„Judith und Holofernes“ von Fede Galizia, 1601-10.

© Palacio Real de La Granja de San Ildefonso, Segovia, Patrimonio Nacional, Madrid

Samtige Pfirsiche und ein Holofernes-Kopf

Auch Fede Galizia, ebenfalls von ihrem Vater ausgebildet, einem Miniaturmaler, liebte den bühnenhaften Aufputz mit rotem Samtvorhang als Hintergrund. Sie muss in sich selbst verliebt gewesen sein, so brillant warf sie sich in Schale, den geschmückten Lockenkopf mit den zarten roten Bäckchen leicht aus der Bildmitte gedreht. Ihre Linke fasst den Schopf des plastisch durchgearbeiteten Holofernes-Kopfes, neben ihr eine groteske Alte, die eine Schale mit dem Haupt des Kriegers hält.

Galizia besaß enge Kontakte zu den Medicis, die neben Porträts bei ihr auch Stillleben beauftragten. Die abgebildeten Pfirsiche in der Fruchtschale möchte man anfassen, so samtig wirken sie.

Im oberitalienischen Bologna hielt die Barockmalerin Elisabetta Sirani Hof. Besucher pflegten ihr bewundernd beim Malen zuzusehen, denn die Maestra machte ihre Arbeit zum Event. In den nur zehn Jahren ihrer schöpferischen Lebenszeit entstanden rund 200 Gemälde. Als sie mit 27 Jahren starb, wurde ihr Leichnam in das Grab des bewunderten Künstlergenies Guido Reni abgesenkt.

Verführerische Bacchantinnen

Wichtige Positionen im 18. Jahrhundert besetzten die Porträtistinnen Angelika Kauffmann und deren Konkurrentin Élisabeth Vigée Le Brun. Frauen waren zwar vom Aktstudium ausgeschlossen, aber Kauffmann wusste die Regeln zu umgehen, indem sie mit antiken Skulpturen arbeitete. Auf diese Weise entstand ein androgyner Ganymed mit rotem Tuch, der einem mächtigen Adler eine goldene Schale mit Futter hinhält.

Élisabeth Vigée Le Brun arbeitete anfangs als Hofmalerin für die französische Königsfamilie und fand nach deren Verhaftung in Italien Unterschlupf. Der Erfolg blieb ihr trotzdem in ganz Europa treu, wo sie mit ihren schmeichelnden Porträts und verführerischen Bacchantinnen immer wieder neue Kunden fand. Die Schau endet mit der 1957 in Wien verstorbenen Helene Funke. Ihr Werk zeigt drei selbstbewusste Frauen, die am Betrachter vorbei aus einer Theaterloge blicken.

Von den 58 Leihgaben stammen 30 Bilder aus dem Museo Nacional Thyssen-Bornemisza in Madrid, wo die Ausstellung in einer kleineren Fassung zuvor zu sehen war. Aus der Berliner Nationalgalerie kommt ein Selbstbildnis von Anna Dorothea Therbusch.

Die Tochter eines Porträtmalers am preußischen Hof begann ihre Karriere erst nach der Volljährigkeit der ersten Tochter. Ihre Porträts von Friedrich dem Großen und der Zarin Katharina II. wirken nahbar und privat. Im Selbstporträt vertuscht die Künstlerin ihr Alter nicht: Sie trägt ein Monokel zum Zeichen ihres scharfen Auges, das sie berühmt machte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false