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Kultur: Lila Menschenfresser

Ein Stoner-Rock-Konzert am Donnerstag im Archiv.

Donnerstag. Der Freitag des kleinen Mannes, und auch der optimale Tag, um verfrüht ins Wochenende zu starten. Das konnte man am Donnerstag sehr gut im Archiv: Dort war Wüstenrock angesagt, drei Bands auf der Bühne. Und wenn es im Archiv heißt, dass 20 Uhr Einlass ist, wissen die meisten schon, dass man nicht vor 21 Uhr zu kommen braucht. Die erste Band fing erst gegen zehn an zu spielen.

Dafür legte sie aber auch gleich richtig los. Was Dampflok spielen, lässt sich schwer in eine Schublade pressen: Für Stoner-Rock war das zu schnell, für Post-Punk zu langsam – am ehesten passte das Attribut Prog-Rock. Progressiv war die Musik ja auch: Zwei Gitarren und Schlagzeug, der Gesang wird genauso ausgespart wie der Bass. Der Bass fehlt der Band auch ein wenig, der Gesang dagegen gar nicht. Viel Platz für filigrane Strukturen, die durch breite Riffs unterbrochen werden: laut und leise im Wechsel. Spielen die beiden Gitarristen eigentlich mit- oder gegeneinander? Das Schlagzeug schob sich mittlerweile in den Vordergrund. Ziemlich verkopfte Kompositionen, deren Komplexität sich im Laufe des Konzerts mehr und mehr offenbarte – da passte die Huldigung an Dream Theater perfekt rein. Technisch wurde von nichts ausgelassen: Songs im Sechs-Achtel-Takt etwa, dazu das ultrapräzise Schlagzeug.

Gesang ist überbewertet, scheinen sich auch Purple People Eater gedacht zu haben: Die brachten die komplette Stoner-Welle ins Archiv, irgendwo zwischen Kyuss und deren würdigem Nachfolger Unida. Die Band hat sich nach einem Song des Rock’n’Rollers Sheb Wooley benannt – der Song über einen lila Menschenfresser schaffte es 1958 auf Platz eins der US-Charts. Wieder aus Potsdam, das Trio: Den Schlagzeuger im Hintergrund flankierten ein zotteliger Typ in Schlaghosen am Bass und ein zirka zwei Meter großer Hüne an der Gitarre, im Jogginganzug geworfen hatte. Da wurde reichlich Wert aufs Outfit gelegt.

Dabei hatte es das Erscheinungsbild gar nicht nötig, die Musik zu kaschieren: fast schon meditativer Stoner-Rock. Kinder der 70er-Jahre, alle drei: Wenn man eine gerade Linie von den britischen Helden Black Sabbath ins Heute zieht, kommt man garantiert bei Purple People Eater an – auch ohne den signifikanten Gesang. Fast schon fieberhaft spielte sich die Kapelle in Rage, während die Musik nach vorn marschierte. Die Hommage an die Vorbilder war dann aber doch etwas überraschend: mit einer bandeigenen Überarbeitung von Rage Against The Machines „Killing in the Name“. Das war großartig, wie das ganze Konzert überhaupt. Da blieb den Gästen nur übrig, den Deckel zuzumachen: Beesus aus Rom reihten sich zwar in den Stoner-Sound ein, ließen das Ganze aber als bedrohliches Spektakel zurück: „Doom“ heißt diese Musik, wie das englische Wort für Untergang. Und genauso lief das apokalyptische Spektakel auch ab: viel schauspielerisches Potenzial, und der Wille, alles in Scherben zurückzulassen. Und auch wenn nicht getanzt wurde an diesem Donnerstagabend: Einen besseren Start ins Wochenende gibt es wohl nicht. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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