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Kultur: Legenden um einen preußischen Edelmann

Alexander Gauland stellte sein neues Buch über Fürst Eulenburg im Kutschstall zur Debatte

Eigentlich fand die angekündigte Diskussion über „die Bedeutung konservativer Werte in Deutschland“ in der illustren Donnerstagsrunde im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte gar nicht statt. Die Historiker Arnulf Baring und Daniel Koerfer wollten zwar mit dem Publizisten Alexander Gauland über sein neues Buch „Fürst Eulenburg – ein preußischer Edelmann“ disputieren, aber irgendwie verloren sich die honorigen Herren in den historischen Detail zu einem bekannten wie zugleich unbekanntem Ereignis.

Es ging um die Harden-Eulenburg-Affäre von 1907 bis 1909, welche dem Kaiserreich schon vor dem Ersten Weltkrieg einen derben Stoß versetzte. Arnulf Baring auf der einen Seite, Daniel Koerfer auf der anderen, nahmen den Autor richtiggehend in die Mitte, berichtigten ihn bei der Darstellung seines Buches, ergänzten ihn mehr oder weniger dezent, bremsten, wenn er gar zu schnell zum Ende kommen wollte. Eher umständlich erfuhr man Vorgeschichte, Ablauf und Folgen dieses Skandals um den jüdischen Publizisten Maximilian Harden und den „Liebenberger Kreis“, einer Gruppe von hohen Militärs und Staatsbeamten, denen homoerotische Zusammenkünfte auf dem Anwesen Philipp von Eulenburgs (1847-1921) nördlich von Berlin nachgesagt wurden.

Dreierlei drängte Gauland, sich etwas näher mit dem Grafen und ab 1900 auch Fürsten zu beschäftigen. Einmal sind in Liebenberg heute merkwürdigerweise sämtliche Erinnerungen an Personen und Ereignisse verschwunden, obwohl auch Wilhelm II. dort verkehrte. Zweitens behauptet Gauland, der deutsche Kaiser und immer noch König von Preußen sei durch diese perverse Intrige, an der vornehmlich Reichskanzler von Bülow beteiligt war, „zum Kriege verführt“ worden. Hardens wenig diskreten Vorwürfe beschuldigten mehrere aus diesem Kreis der Homosexualität, damals eine Straftat, so neben Eulenburg auch Kuno von Moltke, Stadtkommandant von Berlin. Irgendwie wurde auch Wilhelm II. in diesem Zusammenhang mit erwähnt. Alexander Gauland meinte nun, es hätte in Liebenberg niemals solche Exzesse gegeben, insofern wundere es ihn, warum Eulenburg von der Nachwelt (wenn überhaupt) immer nur negativ, der Intrigant aber meist positiv gezeichnet werde.

Durch einen weiteren Trick Hardens und seiner Genossen verwandelte sich die homosexuelle Anklage in einen handfesten Meineidprozess. Eulenburg war gesellschaftlich wie menschlich erledigt. Die Prozessakten sind übrigens seit 1932 spurlos verschwunden. Historiker diskutieren diese Episode seit langem im weltpolitischen Kontext. Danach soll es hinter den Türen darum gegangen sein, die zeitweilige Freundschaft zwischen Eulenburg und Wilhelm zu zerstören, um der „Kriegspartei“ um Reichskanzler von Bülow und Friedrich von Holstein voranzuhelfen und das zerbrechliche Reich auf Krieg einzuschwören. Eulenburg empfahl ja dem zwölf Jahre jüngerem Freund, in der Politik auf kontinentalen Ausgleich zu setzen, dauerhafte Bündnisse mit den Mittelmächten zu suchen, nur so lasse sich das Bismarcksche Erbe bewahren. Er hätte wohl recht, wären da nicht noch andere in Europa zum Kriege entschlossen gewesen. Riss diese Affäre nun wirklich alles herum? Weniger Detail und mehr Sinn für das Ganze hätte den drei Koryphäen im Kutschstall bestimmt zu einer glaubhaften Antwort verholfen. Gerold Paul

Alexander Gauland: Fürst Eulenburg - ein preußischer Edelmann. Die konservative Alternative zur imperialen Weltpolitik Wilhelm II. Keysersche Verlagsbuchhandlung, 9,90 Euro

Gerold Paul

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