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Kultur: Kunstobjekt Friedhof

Junge Künstler des Offenen Kunstvereins beschäftigten sich mit Bornstedter Friedhof

Als die Teilnehmer des Malkurses hörten, dass sie einen Friedhof besuchen würden, waren die meisten sofort Feuer und Flamme. Sabine Raetsch vom Offenen Kunstverein brachte es bei der Ausstellungseröffnung von „Engel, Kreuz und Steine“ auf den Punkt: „Friedhof ist Tod und Tod ist spannend“. Gerade die kleineren Jungs, erzählte sie, entwickelten sofort die wildesten Fantasien und entwarfen sogleich Knochenmänner, Zombies und natürlich Draculafiguren. An einem wunderbaren Herbsttag im vergangenen Jahr begab sich dann die Gruppe von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen auf den berühmten und ziemlich verwunschenen Bornstedter Friedhof.

„Was in Sanssouci stirbt, das wird in Bornstädt begraben“, schrieb schon Theodor Fontane in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Und der romantische Dorffriedhof kann wirklich Einblicke in die preußische Geschichte geben. Die Gärtnerfamilien Sello und Lenné sind dort ebenso wie der Baumeister Persius als auch die Historiographen Manger und Mackowsky begraben.

Doch den jungen Künstlern war nicht in erster Linie daran gelegen, dicke Geschichtsbücher zu wälzen. Sondern sie gingen, mit riesigen Packpapierbögen, Zeichenkohle oder Farbkreiden ausgerüstet, zwischen den wunderbar gestalteten Grabsteinen umher und suchten sich denjenigen aus, der ihnen ästhetisch am meisten zusagte.

Schriftgestaltungen, Verzierungen, Ornamente aber auch originelle Inschriften erregten dabei ihr Interesse. Mittels Papier und Stiften wurden diese kunstvoll gestalteten Oberflächen dann „abgepaust“, in Originalgröße versteht sich. Frottage nennt sich diese grafische Abbildungstechnik und wohl jeder hat so etwas schon einmal mit Münzen versucht. Hier waren es unter anderem die Lebens- und Leidensgeschichte des Johann Gottlob Ranft, der von 1735 bis 1772 lebte und als Feldscher und Chirurgus im königlichen Heer diente. Die „abgeriebene“ Oberfläche, die im Originalzustand stark verwittert ist, wurde dann im Atelier noch um Goldranken und frei erfundene Ornamente ergänzt. Und die kaum lesbare Inschrift doch noch in Gänze entziffert und für die Ausstellungsbesucher daneben geschrieben.

Der jahrhundertealte morbide Charme der Grabplatten wird durch diese „Ergänzungen“ besonders gut sichtbar und die Kinder und Jugendlichen haben sich darüber hinaus auch eigene Gedanken über die Vergänglichkeit gemacht. Rostrote Efeuranken mit kleinen Totenschädeln umrahmen so die Grabplatte von Johann Samuel Sello und seiner Ehefrau Louisa, der Grabstein von Marie Anastasia Sello wird von einer Christus- und einer Engelsfigur eingefasst. In der raumgreifenden Gemeinschaftsarbeit von Sabine Raetsch und drei Jugendlichen im Alter von 16 bis 21 Jahren sind indessen dem königlichen Amtmann Carl Luice (1794-1836) höllische Attribute beigegeben worden.

Solche sind auch auf der Bleistiftzeichnung eines 10-Jährigen auszumachen, der einen gruseligen Galgenberg mit heulendem Wolf und einigen Folterinstrumenten entworfen hat. Sehr ironisch mit dem Thema Tod ging indes eine 15-Jährige um. Sie gestaltete einen Grabstein für „Sparghetti Karbonara“, der um den allbekannten Spruch „Jeder esse, was er kann ...“ ergänzt wurde. Aber auch der Versuch, menschliches Leid, bildlich darzustellen, findet sich in der ungemein sehenswerten Ausstellung in der Geschäftstelle des Landesjugendrings Brandenburg. Sie ist das Ergebnis eines landesweiten Wettbewerbs zum Thema „Heimat“, den die Landesarbeitsgemeinschaft der Jugendkunstschulen im vergangenen Jahr ausgerufen hatte.

Die jungen Teilnehmer des Potsdamer Offenen Kunstvereins hatten sich für diesen Platz ihrer Heimat entschieden und es ist ihnen eindringlich gelungen, sich dabei mit den „großen“ existenziellen Fragen auseinander zu setzen.

Astrid Priebs-Tröger

Ausstellung bis 24. September, Breite Straße 7a, 2. Etage von Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr geöffnet.

Astrid Priebs-Tröger

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