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Die Fontane-Büste vor dem Potsdamer Fontanearchiv.

© Andreas Klaer

Kultur in Potsdam: Zwei neue Bücher über Fontane

Gleich zwei Neuerscheinungen begeben sich auf eine Spurensuche durch ein Schriftstellerleben. Am Donnerstagabend werden sie in Potsdam und Wilhelmshorst vorgestellt.

Potsdam - In Dichterkreisen hatte Theodor Fontane den Spitznamen „Nöhl“ verpasst bekommen. Und wer im Berliner Sprachraum nölte, der quasselte, plauderte. So tat es Fontane, der angenehme Zuhörer und Causeur. Unter Kollegen, mit Frauen, er unterhielt sich einfach gern. Seine vielen Briefwechsel waren die Verschriftlichung dessen und seine Romane nicht zuletzt Ergebnis jahrelanger Plaudereien mit Frauen.

Am Donnerstag gibt es gleich zwei Fontane-Veranstaltungen

Nun wird immer noch viel genölt: aus Anlass seines 200. Geburtsjahres vor allem über ihn und sein Werk. Und das Fontane-Jahr beginnt denn auch mit der Qual der Wahl: Gleich zwei Veranstaltungen widmen sich am Donnerstag dem Schriftsteller. Wenngleich man schlecht zwei Lesungen – und Plaudereien – an verschiedenen Orten zeitgleich lauschen kann, beide Bücher parallel zu lesen, geht allemal. Und in diesem Fall sogar erstaunlich gut. Denn sowohl Christine von Brühls „Gerade dadurch sind sie mir lieb. Theodor Fontanes Frauen“ und Hans Dieter Zimmermanns am Freitag erscheinende Biografie „Theodor Fontane. Der Romancier Preußens“ eignen sich wunderbar zum (Wieder-)Eintauchen in die Welt Fontanes.

— Hans Dieter Zimmermann, „Theodor Fontane. Der Romancier Preußens“, gebunden, 458 Seiten, C.H.Beck
— Hans Dieter Zimmermann, „Theodor Fontane. Der Romancier Preußens“, gebunden, 458 Seiten, C.H.Beck

© promo

— Christine von Brühl, „Gerade dadurch sind sie mir lieb. Theodor Fontanes Frauen“, gebunden, 368 Seiten, Aufbau Verlag
— Christine von Brühl, „Gerade dadurch sind sie mir lieb. Theodor Fontanes Frauen“, gebunden, 368 Seiten, Aufbau Verlag

© promo

Zimmermann spaziert mit den Werken durch die Geschichte Preußens

Hans Dieter Zimmermann war bis 2008 als Professor für Literaturwissenschaft an der TU Berlin tätig und hat sich als Autor mit Biografien über Heinrich von Kleist und vor allem Kafka sowie als Herausgeber der „Tschechischen Bibliothek“ hervorgetan. Nun also Fontane. Im Plauderton, zuweilen weitschweifend, stets unterhaltsam wie sein Sujet, streift Zimmermann darin durch das Leben des Schriftstellers, durch seine Lehr-, Wander- und Meisterjahre, immer ganz der Literaturwissenschaftler, der mit den Werken unterm Arm durch die Geschichte Preußens spaziert.

Der Schriftsteller Hans Dieter Zimmermann.
Der Schriftsteller Hans Dieter Zimmermann.

© promo

Von Brühl legt ihren Fokus auf die Frauen in der Geschichte

In Preußens Geschichte ist auch die Historikerin Christine von Brühl zu Hause. Ihr Fokus liegt auf den Frauen in der Geschichte, wie zuletzt in „Die preußische Madonna. Auf den Spuren der Königin Luise“ und „Anmut im märkischen Sand. Die Frauen der Hohenzollern“. Woher habe Fontane die Sicherheit genommen, ja den Mut, fragt von Brühl, seine Protagonistinnen so präzise in ihrem Denken und Empfinden zu schildern? Und woher wusste er so viel über sie?

Von Brühls Buch ermöglicht mit diesem Fokus eine neue Wertschätzung Fontanes und seiner Romane. Allein in dem sie an eine Zeit der Benachteiligung von Frauen erinnert, wie sie heute, zumindest hierzulande, kaum mehr vorstellbar ist.

Christine von Brühl.
Christine von Brühl.

© Thomas Kierok

Bevor sich von Brühl den Wegbegleiterinnen und Romanfiguren Fontanes widmet, verschafft sie dem Leser einen Überblick über die Anfänge der Frauenbewegung Mitte des 19. Jahrhunderts. Fontane, der sich auch später bei der Märzrevolution nicht gerade von der politisch standfestesten Seite zeigen wird, war weder Fürsprecher, geschweige denn Sprachrohr der engagierten Frauen. Aber es habe durchaus Berührungspunkte gegeben, so von Brühl. Wie etwa mit der Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Hedwig Dohm, die er kannte und schätzte. Mehr als für ihre Forderungen interessierte sich Fontane aber stets für Wesen und Charakterstärke der Frauen.

Sie hebt vor allem Ehefrau und Tochter hervor

Aus dem familiären Umfeld hebt von Brühl vor allem seine Frau Emilie und seine Tochter Martha hervor. Bis zu einer umfassenden Biografie von Fontane-Spezialist Gottfried Erler – und zum Teil auch noch danach – hieß es lange Zeit, dass seine Frau seine schriftstellerische Arbeit nicht gutgeheißen habe. Nur weil sich ein Ausspruch von ihr, überliefert von Gerhart Hauptmann, hartnäckig gehalten hat: „Er ist ja kein Dichter, er ist ja kein Dichter“, soll sie in seiner Gegenwart mit heftiger Überzeugung über ihren Mann vor sich hingeredet haben. Mit diesem Klischee über Emilie als nörgelnde Ehefrau räumt die Autorin, wie vor ihr schon Erler, gründlich auf. Sie sei nicht zuletzt Fontanes erste aufmerksame Leserin und Korrektorin gewesen, eine Mammutaufgabe, wie auch Hans Dieter Zimmermann in seiner Biografie anerkennt.

Was die Bewertung einzelner Werke angeht, kommen Zimmermann und von Brühl durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen. So etwa bei „Grete Minde“, der Erzählung über die vermeintliche Brandstifterin von Tangermünde, eine Geschichte aus dem Mittelalter. Für den Literaturwissenschaftler ist sie schlicht zwar die am meisten gelesene Erzählung, aber die am wenigsten gelungene, holzschnittartig mit einem manchmal altertümelnden Stil; die Historikerin von Brühl lobt sie hingegen als Fontanes „Novelle Nr.1“ und holt aus dem von Zimmermann verschmähten Werk noch einiges Interessantes heraus: So sei es ein Fan Fontanes gewesen, der letztlich der realen Person Margarethe von Minden im Nachhinein zu Gerechtigkeit verhalf. Dieser Leser der „Grete Minde“, studierter Jurist, forschte den Fall akribisch nach und wies ihre Unschuld nach.

Überaus sorgfältig in der Recherche und sehr unterhaltsam geschrieben sind beide Bücher über Fontane. Da, wo Zimmermann allgemein bleibt, steigt von Brühl mit Details ein. Und umgekehrt. Für den Leser letztlich ein doppelter Gewinn und Genuss. 

Am Donnerstag um 19 Uhr liest Christine von Brühl aus „Gerade dadurch sind sie mir lieb. Theodor Fontanes Frauen“ in der Kleist-Schule, Friedrich-Ebert-Straße 17; um 20 Uhr stellt Hans Dieter Zimmermann „Theodor Fontane. Der Romancier Preußens“ im Peter-Huchel-Haus, Wilhelmshorst, vor.

Grit Weirauch

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